Bericht zur Kazaguruma-Demo am 11.3.2017 in Berlin

Letztes Jahr zum 5. Jahrestag von Fukushima und zum 30. Jahrestag von Tschernobyl haben wir eine Reihe von verschiedenen Veranstaltungen unter dem Titel „Protestival“ organisiert, womit wir durchaus zufrieden waren, aber der Aufwand war entsprechend groß, sodass ich nach dem Ende aller Veranstaltungstermine krank geworden war.  Daraus musste man die Lehre ziehen, dass man als so eine kleine Gruppe nicht so oft größere Veranstaltungen auf einmal planen kann.

Deshalb wollten wir dieses Jahr zum 6. Jahrestag von Fukushima „nur“ eine Demonstration organisieren, dafür aber eine feine, gut durchdachte, harmonische und mit einem guten Programm.

Immerhin haben wir seit 2013 jedes Jahr zu diesem Jahrestag eine Demo organisiert und haben bereits eine Reihe von positiven Erfahrungen gesammelt, aus den Fehlern gelernt und gute Beziehungen mit einigen Kooperationspartnern aufgebaut.  Seit vier Jahren ist es sogar „Tradition“, mit unserem Symbol für eine nuklearfreie Zukunft, Windrädern – Kazaguruma –, durch die Innenstadt von Berlin zu ziehen.  Außerdem fällt der 11.3. dieses Jahr auf einen Samstag.  Da müssen wir unbedingt an dem Tag demonstrieren, so waren wir uns gleich einig.

Als erstes fingen wir damit an, mit unseren Partnern – Natur Freunde und Anti Atom Berlin – darüber zu besprechen.  Sie waren wieder dabei, wir können uns inzwischen sehr gut verständigen  und kommunizieren.  Ich habe gleichzeitig Herrn Christoph Rasch von Greenpeace Energy – einem unserer wichtigsten Sponsoren von „Protestival“ letztes Jahr – kontaktiert, und er meldete sich gleich bei mir zurück, dass sie auch dieses Jahr gern mit dabei seien.  So haben wir gemeinsam einen Text ausgearbeitet, den wir als Appel für die Demo im Flyer drucken wollten.

Gestaltung des Plakates/Flyers

Im Herbst letzten Jahres haben einige Mitglieder von SNB mit einem „Stammtisch“ für Japaner/Japanisch-sprechende einmal im Monat angefangen, und dort haben sie den jungen Künstler Daichi Matsusaki kennengelernt, der sich uns gleich angeschlossen hat.  Da wir alle von seinen farbenfrohen und dynamischen Bildern begeistert waren, haben wir ihn gefragt, ob er nicht Lust hätte, für die nächste Demo ein Bild für das Plakat zu malen.  So entstand das schöne Bild, das bei allen gut angekommen ist mit einem Motiv, das an unser Symbol Windrad erinnert.

Aya.Berlin hat dann dieses Bild zum Plakat und zum Flyer bearbeitet.  Dieses Jahr habe ich an einigen Stellen in Kreuzberg das Plakat auf der Straße entdeckt und mich sehr gefreut, nicht nur weil für unsere Demo gut geworben wurde, sondern weil das Plakat eine Augenweide war.  Unser Dank gilt Daichi und Aya.Berlin! Wir sind auch stolz, dass so viele Mitunterzeichner zusammengekommen sind.

Kazaguruma-Bastel-Workshop

Kazaguruma-Bastel-Workshop am 25.02.2017

Dann haben wir natürlich einen traditionellen „Windräder-Bastel-Workshop“ organisiert.  Dieses Jahr haben wir durch Jan von der TU tolle Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt bekommen, und dort haben wir fleißig über 400 Windräder gebastelt (näheres siehe Bericht unter http://snbblog.sundayresearch.eu/?p=3567).  Durch unser Mitglied Ememe haben wir dieses Jahr Kontakt mit W. aufgenommen, der einen großen Bus besitzt  und bereit war, uns bei dem Transport der Windräder behilflich zu sein.  Er hat tatkräftig und sehr freundlich geholfen, alle gebastelten Windräder in meinem Keller zu verstauen und sie wieder am Tag der Demo zum Treffpunkt zu bringen.  Bis letztes Jahr hatten wir diese nicht einfache Arbeit (weil die Windräder so unhandlich sind) Minami überlassen, obwohl sie nur einen PKW mit einer größeren Ladefläche hatte.  Es ist uns aber dieses Jahr erneut bewusst geworden, dass es unumgänglich ist, um diese Menge Windräder gut zu transportieren, so einen großen Transporter zu haben.  Also sollten wir in der Zukunft immer so einen Bus/Transporter für den Transport der Windräder organisieren, mit einem normalen PKW sollte man es gar nicht mehr versuchen.

Programm – Redner und Performance

Wir wollten wieder ein gutes und bunt gemischtes Programm haben und haben überlegt, welche Themen unbedingt dieses Jahr auf der Demo besprochen werden sollten.  Fest stand vom Anfang an aber, dass Bodypoet Kazuma wieder eine Tanzperformance anbieten sollte, das ist bereits das „Markenzeichen“ unserer Demo und darf nicht fehlen.  Dieses Jahr gab es aber noch eine zusätzliche Kunstperformance von Daichi.  Er sollte kurz vor dem Start der Kundgebung am Gendarmenmarkt innerhalb von 30 Minuten ein Bild fertig malen und dadurch die Aufmerksamkeit des Publikums auf das Geschehnis auf dem Platz ziehen.

Ruiko Muto

Außerdem wollten wir ursprünglich am Brandenburger Tor, dem Ziel des Demozuges, einen Infostand aufbauen, an dem wir eventuell die Fotos von den Fotographen Hirokawa  und Higuchi mit den Captions zeigen und ein paar Informationen über die aktuelle Lage in Fukushima u.a. geben könnten, aber wir haben auf die Idee schlussendlich verzichtet, da wir feststellen mussten, dass wir dafür nicht genügend Kapazitäten haben.  Dafür haben wir die Botschaft von Frau Ruiko Muto (Sprecherin der Klägergruppe gegen Tepco) übersetzt (mithilfe von Annette Hack), die wir dann auf der Demo vorlesen und in gedruckter Form verteilen wollten.  Ich denke, es war eine gute Entscheidung, denn es ist eine authentische Stimme aus Fukushima und niemand hätte über die aktuelle Lage nach sechs Jahren so gut berichten können wie sie.

Hier die Botschaft von Ruiko Muto in deutscher Übersetzung: Kazaguruma-demo2017 Brief von Ruiko Muto de

 

Elisabeth Hafner-Reckers ©Tsukasa Yajima

2017 ist ein wichtiges Jahr für die deutsche Antiatombewegung, da der Widerstand von Gorleben heuer genau 40 Jahre alt wird.  Deswegen wollte ich unbedingt jemanden von der Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg gewinnen.  Da ich letztes Jahr eine gute Verbindung zu dieser Gruppe aufgebaut habe, teilte ich ihnen einfach direkt mit, dass jemand von ihrer Gruppe in  Berlin auf der Demo über den Kampf in Gorleben seit 40 Jahren sowie im Hinblick auf die bevorstehende Verabschiedung des Endlagergesetzes ihre Botschaft geben soll.  So hat sich Elisabeth Hafner-Reckers, stellvertretende Vorsitzende der BI Lüchow-Dannenberg, bereit erklärt, am 11.3. extra aus dem Wendland nach Berlin zu kommen.  Ich habe sie letztes Jahr im Wendland kennengelernt und sogar bei ihr übernachtet –  sie hat ein sehr gemütliches Gasthaus , sie ist eine sehr bodenständige und sympathische Yoga-Lehrerin, die unweit des Endlager-Erkundungsbergwerkes Gorleben seit 1990  jeden Sonntag mit der dortigen Kirchengemeinde einen Gottesdienst im Freien (auch im Winter) hält.  Diese Andacht gehört schon längst zum festen Repertoire des Widerstandes im Wendland, und Elisabeth ist vom Anfang an dabei.  Sie war am Tag der Demo aus dem Wendland mit dem Zug angereist, hat die Demo mitgemacht, eine wunderbare, starke Rede gehalten, und ist anschließend wieder abgereist, da sie noch den Yoga-Kurs zu leiten hatte. Ihre Worte waren so erfrischend, stark – da authentisch – und inspirierend wie viele kreative Protestaktionen im Wendland.  Vielen Dank, Elisabeth!

Hier ist ihre Rede zu lesen:Kazaguruma-demo2017 Rede von Elisabeth Hafner de

 

Thomas Dersee ©Tsukasa Yajima

Ein anderes Anliegen war das Thema um die Gefahren radioaktiver Niedrigstrahlung und den Umgang mit dem niedrigradioaktiven Atommüll.  Da wusste ich gleich, wer am besten darüber sprechen kann: unser Freund Thomas Dersee, Herausgeber von Strahlentelex.  Er hatte uns oft vom gefährlichen Umgang mit niedrigradioaktiv verseuchtem Metall in Deutschland erzählt, dass wir ohne zu wissen Bratpfannen oder Zahnspangen aus radioaktivem Metall angeboten bekämen, usw.  Es war uns wichtig, dass jemand über dieses Thema spricht, damit die Bürger sich bewusst machen, dass auch in Deutschland Gefahr lauert. Thomas hat dieses Thema sehr anschaulich behandelt:

Die Rede von Thomas Dersee:Kazaguruma-demo2017 Rede von Thomas Dersee de

 

Christoph Rasch ©Tsukasa Yajima

Greenpeace Energy kämpft weiter in Europa gegen eine „Renaissance der Atomenergie“, indem sie vor allem gegen die Subventionen für das AKW Hinkley Point C klagen.  Der Pressesprecher Christoph Rasch, der letztes Jahr unser Protestival tatkräftig unterstützt hat, hat dieses Jahr auf der Demo über die gefährliche Entwicklung der Atompolitik in Europa eine zusammenfassende Rede gehalten:

Hier die Rede von Christoph Rasch:Kazaguruma-demo2017 Rede von Christoph Rasch de

 

der Demozug      ©Tsukasa Yajima

Dieses Jahr haben wir eine kürzere Demoroute ausgesucht, weil wir unbedingt die etwas triste Leipziger Straße in der bisherigen Route zwischen dem Potsdamer Platz und dem Brandenburger Tor vermeiden wollten.  Bei der Überlegung wollten wir aber das Brandenburger Tor als Symbol und Mittelpunkt der Stadt Berlin als Ziel behalten.  Dann erwies es sich als nicht so leicht, eine gute Demoroute zu finden.  Schließlich haben wir uns auf die Route mit dem Gendarmenmarkt als Treffpunkt und dem Brandenburger Tor als Ziel geeinigt.  Nach der Demo gab es zwar einige, die sagten, die Demoroute sei etwas zu kurz gewesen, aber ich persönlich fand sowohl den Treffpunkt Gendarmenmarkt als auch das Ziel Brandenburger Tor gut, da sie erstens beide Touristenattraktion sind und daher viele Menschen da sind, zweitens die Stadt Berlin mit ihrer Kultur und Geschichte dort gut repräsentiert ist.  Sicher hätte die Route etwas länger sein können, aber der Demozug ist zum Beispiel in der Französischen Straße auf eine sehr gute Resonanz gestoßen, viele Touristen und Passanten haben uns fotografiert, die Windräder bekommen und uns mit einem Lächeln zugeschaut, was will man mehr?

Bodypoet & Mad World Dance Project ©Tsukasa Yajima

Am Brandenburger Tor angekommen, war die Tanzfläche für Kazuma und seine Tanzgruppe „Mad World Dance Project“ von ein paar Mitgliedern von uns bereits vorbereitet, und relativ zügig konnte man zum Abschlussprogramm übergehen.  Kazuma und seine Tänzer haben dieses Jahr eine schlichte, aber kräftige Performance mit politisch- und gesellschaftskritischen Botschaften aufgeführt, wie etwa das „typisch japanische“ Phänomen, dass der einzelne Mensch in der Masse und in der Mehrheit verschwindet.

Bild von Daichi Matsusaki(links), Trommler Fumihiro Ono(rechts) ©Tsukasa Yajima
ⒸTsukasa Yajima

Unsere Kazaguruma-Demo 2017 ist auf diese Weise zügig und harmonisch über die Bühne gegangen, starke Redner, aussagekräftige Transparente und viele gelbe Windräder, zwei Performances am Anfang und am Ende.  Übrigens wäre das Bild, das Daichi vor der Kundgebung auf dem Gendarmenmarkt gemalt hat, gegen Spende abzugeben. Wer daran Interesse hat, kann uns gerne kontaktieren: sayonara-nukes-berlin[at]posteo.net

 

Symbol für eine Zukunft ohne Atomkraft ©Tsukasa Yajima

Wir -Sayonara Nukes Berlin -bedanken uns bei allen, die uns bei der Demo unterstützt haben, mit uns gelaufen sind und mit uns waren.  Wir werden weiterhin einen langen Atem haben, kreativ und hartnäckig bleiben bei unserer Forderung nach dem weltweiten Atomausstieg und jedes Jahr mit den Windrädern durch Berlin ziehen mit dem Motto: Fukushima mahnt! Gemeinsam für eine Zukunft ohne Atomanlagen!


Nachrichten:

“Für Zukunft ohne Atomanlagen!” – Sechs Jahre Fukushima: Demo gegen Atomkraft in Berlin | rbb Rundfunk Berlin-Brandenburg

Abendschau/ rbb Rundfunk Berlin-Brandenburg

Demonstration gegen Atomkraft in Berlin | evangelisch.de


Foto:

Tsukasa Yajima


Video:

Nobel & Frei

Mahnwache Kanzleramt


 

“ヤクザと原発” 福島第一潜入記ドイツ語版出版記念講読会

Von Felix Jawinski

Ⓒ Tsukasa Yajima

Vom 10. März bis 14. März weilte der Autor des Buches Inside Fukushima – Eine Reportage aus dem Inneren der Katastrophe Suzuki Tomohiko in Deutschland. Die europaweite Buchpremiere fand am sechsten Jahrestag der Dreifachkatastrophe von Nord-Ost-Japan im Rahmen des Lesefestivals „Lesen ohne Atomstrom“ im Hamburger Völkerkundemuseum statt. Als Ergänzung zu den Anti-AKW- Demonstrationen am 11. März in mehreren deutschen Großstädten erinnerte die Veranstaltung nicht nur an die Katastrophen und deren Folgen, sondern auch daran, wie die japanische Regierung gemeinsam mit vielen weiteren Akteuren des sogenannten japanischen Atomdorfs versucht(e), die Lage im geborstenen AKW Fukushima Daiichi in den Griff zu bekommen. Suzuki Tomohiko ist genau dieser Frage nachgegangen und hat sich drei Monate nach der Katastrophe für mehr als zwei Monate im havarierten AKW Fukushima Daiichi als AKW-Arbeiter verdingt. In Japan bekannt als Journalist und Spezialist für die Yakuza, über die er seit Jahrzehnten berichtet, setzte er sich auch vor der Katastrophe mit dem gesellschaftlichen Phänomen der organisierten Kriminalität auseinander. In der Ausnahmesituation nach dem Super-GAU entschloss er sich dann genau dorthin zu gehen, wo viele seiner Kollegen sich nicht mehr hinwagten. Anfänglich als Begleiter der Yakuza in Hilfsgüterlieferungen in die betroffenen Gebiete eingebunden, merkte er schnell, dass die Verbindungen der Yakuza in das AKW-Gewerbe und die Rekrutierung von Arbeitskräften tiefer waren, als er es bisher für möglich gehalten hatte. Verstrickungen der Yakuza in viele Bereiche der Wirtschaft, wie z.B. dem Baugewerbe, dem Glücksspiel, aber auch ins Rotlichtmilieu, waren ihm auch vorher bekannt. Hellhörig wurde Suzuki Tomohiko aber, als ihn in den ersten Tagen nach der Katstrophe beständig ranghohe Mitglieder der Yakuza anriefen und ihn fragten, ob er nicht jemanden kenne, der im AKW arbeiten wolle, bzw. ob er nicht Leute kenne, die Arbeiter vermitteln könnten.

In den Diskussionen auf den Veranstaltungen kamen folgende Fragen immer wieder auf. Zum einen erklärte Suzuki den Unterschied zwischen der japanischen Yakuza im Vergleich zur italienischen Mafia. Die Frage, wieso er sich hier offen präsentieren könne und keine Angst vor Vergeltungsaktionen haben müsse, spielte dabei genauso eine Rolle, wie das Interesse daran, wie es überhaupt möglich sei, über die Yakuza zu berichten. Weitere Erklärungen stillten die Neugier des Publikums nach den Arbeitsbedingungen, den Schutzmaßnahmen vor Radioaktivität und seinem Doppelleben als AKW-Arbeiter und Journalist. All diese Fragen erläuterte Suzuki Tomohiko sowohl in Hamburg und dann am 13. März 2017 noch einmal in Berlin, bei einer Lesung im Verlag Assoziation A. Die Veranstaltung in Hamburg fand großen Zuspruch der Bürgerschaft. Ungefähr 500 Menschen kamen und wollten dabei sein. Darüber hinaus wurde die Veranstaltung aufgezeichnet und sogar live gestreamt und kann deshalb auch jetzt noch online nachgeschaut werden. Die Diskussion wurde in Hamburg von der Mitgründerin von Greenpeace Deutschland Monika Griefahn geleitet. Auf dem Podium saßen außer Suzuki Tomohiko der Präsident der Gesellschaft für Strahlenschutz Dr. Sebastian Pflugbeil und der bekannte Undercover-Journalist Günter Wallraff. Sowohl in Hamburg als auch in Berlin ging den Diskussionen eine Lesung voraus. Während in Berlin der Schauspieler Richard Schnell, der schon an der Aufführung von Stimmen aus Tschernobyl mitgewirkt hatte, eindrucksvoll und stimmgewaltig die Situation der AKW-Arbeiter in den Raum projizierte, übernahm diesen Part in Hamburg die Schauspielerin Anna Thalbach. Auch in Berlin überstieg die Besucherzahl die Erwartungen – es kamen mehr als 100 Interessierte und folgten seinen Ausführungen.

© Verlag Assoziation A

In den Medien fand die Buchpremiere ebenfalls großen Anklang.Vom 6. – 9. März lief eine vierteilige Radiosendung mit dem Titel „Weiterleben“ der Journalistin und Japanologin Judith Brandner im ORF.Darüber hinaus verfasste sie eine Rezension für die Schweizer WOZ. Der WDR berichtete in einer Radiosendung ebenso wie der NDR. Am 11. März berichtete die MOPO über das Buch im Zusammenhang mit einem Interview mit Günter Wallraff. Als Reaktion auf die Berliner Veranstaltung erschienen Beiträge in der Tageszeitung Junge Welt, und bei Telepolis. An dieser Stelle sei noch einmal allen Beteiligten von Lesen-ohne-Atomstrom, dem Verlag Assoziation A, den DolmetscherInnen und OrganisatorInnen dieser Leseveranstaltungen gedankt, ohne die das Projekt so nicht hätte realisiert werden können. Allen LeserInnen wünschen der Autor und die ÜbersetzerInnen nun viel Freude bei der Lektüre! Wer mehr über die Struktur der AKW-Industrie, den Autor oder über die weitere Diskussion des Themas AKW-Arbeit in Japan erfahren möchte, kann gern den Text des Mitübersetzers Felix Jawinski zurate ziehen.


 

Felix Jawinski:

2007 – 2011 Bachelorstudium der Japanologie und der Politikwissenschaft an der Universität Leipzig, Auslandsstudium in Japan an der Aichi Prefectural University 2009 – 2010. Thema der Masterarbeit: „Atomkraft und Arbeit: Versuch einer Annäherung am Beispiel Japans“. Seit 2010 zunächst studentische Hilfskraft, dann wissenschaftliche Hilfskraft und seit Oktober 2014 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Japanologie Leipzig.

かざぐるまデモ “原発のない未来を!”11.03.2017 Gendarmenmarkt 11:30~

Sa 11. März 2017 ab 12:00 Uhr
Treffpunkt am Gendarmenmarkt, Berlin

– ab 11:30 Uhr am Gendarmenmarkt Live-Malerei von Daichi Matsusaki mit Perkussion von Fumihiro Ono
– Abschuluss am Brandenburger Tor: Performance von Bodypoet Kazuma Glen Motomura

Für eine Zukunft ohne Atomanlagen!

Sechs Fukushima Jahre Dai-ichi nach der versucht Atomkatastrophe die Atomlobby im Atomkraftwerk die Atomenergie weltweit zu sichern und auszubauen. In ganz Europa sind über 60 Atomkraftwerke schon länger als 30 Jahre in Betrieb, einige sogar schon über 40 Jahre. Um diese Schrottreaktoren weiterbetreiben zu können, wurden die Laufzeiten in vielen Staaten auf bis zu 60 Jahre verlängert. Jederzeit kann sich überall eine Katastrophe wie in Tschernobyl oder Fukushima ereignen. Solange Atomanlagen in Betrieb bleiben, wächst auch die Last der nuklearen Hinterlassenschaften.

Die Folgen der Atomkatastrophe sind für Mensch und Umwelt eine Tragödie. Zehntausende haben ihre Heimat verloren. Obwohl das Gesundheitsrisiko groß ist, will die japanische Regierung nach Dekontaminationstricksereien die Bewohnerinnen und Bewohner wieder in Gebiete mit hoher Umgebungsradioaktivität zurückschicken und sich vor Entschädigungszahlungen drücken. Gleichzeitig steigt die Zahl der Schilddrüsenkrebserkrankungen bei Kindern und Jugendlichen immer mehr an.

Auch in Deutschland wurde kein endgültiger Atomausstieg beschlossen. Bis 2023 werden Atomkraftwerke in Betrieb bleiben, die Atomanlagen in Lingen und Gronau sowie die Forschungsreaktoren sollen weiterbestehen. Für den ständig zunehmenden Atommüll wurde bisher keinerlei Lösung gefunden.

Gemeinsam fordern wir:

◆ Stop aller Maßnahmen, mit denen die japanische Regierung Strahlenflüchtlinge zur Rückkehr in verstrahlte Gebiete nötigt. Weiterzahlung von Entschädigungen und Unterstützungsgeldern.
◆ die sofortige Abschaltung aller Atomanlagen weltweit
◆ die Aufhebung des EURATOM-Vertrags
◆ die Festschreibung eines Verbots der Nutzung von ziviler und militärischer Atomtechnik im Grundgesetz

Demo-Route

(Deutsch) Zwangsräumung des Anti-AKW-Camps in Tôkyô. Gedanken zu einer Nacht- und Nebelaktion/ Steffi Richter

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Han-genpatsu keisanshô-mae tento hiroba (kurz: Tento hiroba) in Tôkyô

Zwangsräumung des Anti-AKW-Camps in Tôkyô. Gedanken zu einer Nacht- und Nebelaktion

Steffi Richter

 

Anlässlich der ersten Wiederkehr des Tages, an dem Nordost-Japan von der Dreifachkatastrophe verheert wurde, erschien in der Online-Ausgabe von „The Wall Street Journal“ vom 10. März 2012 ein Artikel, der mit „March 11, One Year On: Occupy METI” betitelt war. Der Journalist Obe Mitsuru beschreibt darin eingangs eine Szenerie, in der auf einem kleinen Eckplatz direkt vor dem mächtigen Ministerium für Ökonomie, Handel und Industrie (METI) im Tôkyôter Regierungsbezirk  Kasumigaseki ein vergleichsweise „wackeliges Zelt“ steht, geschmückt mit bunten Bannern und Plakaten, auf denen Japans Ausstieg aus der Atomkraft gefordert wird. Mit einem „Welcome to ‘Occupy METI,’ Japan’s take on Occupy Wall Street“ (OWS) leitet Obe dann zum Hauptteil seines Artikels über. http://blogs.wsj.com/japanrealtime/2012/03/10/march-11-one-year-on-occupy-meti/

Nun, genau gesagt, sind es mittlerweile drei Zelte, die dort – gar nicht „wackelig“ – stehen; und auch das Gleichnis, ‚Occupy METI‘ sei eine Anlehnung an OWS, ist zumindest dahingehend zu präzisieren, dass mit dieser etwas später auftauchenden Bezeichnung zwar sehr wohl ein Bezug zu den New Yorker Ereignissen in Herbst 2011hergestellt worden ist. Die Belagerung des Platzes vor dem mit der Atomwirtschaft besonders eng verbundenen METI aber hatte bereits wenige Tage vor dem 17. September – dem Beginn von OWS –, am 11. September begonnen. An jenem Tag waren genau sechs Monate seit „3.11“ vergangen, weshalb verschiedene Protestaktionen in Tôkyô (aber auch in anderen Teilen des Landes) stattfanden: Eine Menschenkette sollte das METI einkreisen, was auch gelang; im Subzentrum Shinjuku war eine weitere Genpatsu Yamero-Demonstration („Schluss mit den AKW“) mit anschließender Kundgebung geplant, ca. 20.000 Menschen nahmen daran teil; und direkt vor dem METI traten vier junge Leute unter der Losung „Nachdenken über die Zukunft“ in Front vom METI in einen Hungerstreik. Sie waren extra aus Kaminoseki  (Präfektur Yamaguchi) angereist, wo gegenüber der Insel Iwaishima in der zu den schönsten Landschaften Japans gehörenden Inlandsee (Setonaikai) bereits seit Anfang der 1980er Jahre ein AKW errichtet werden soll, was lokale Atomkraftgegner lange Zeit verhindern konnten. Als dann Anfang 2011 mit Aufschüttungsarbeiten begonnen worden war, ereignete sich jedoch die AKW-Erdbeben-Katastrophe von Fukushima Daiichi, woraufhin das Vorhaben erneut auf Eis gelegt wurde. Vom Tisch ist der geplante Bau allerdings bis heute nicht, zumal laut Energieplan der jetzigen nationalkonservativen LDPJ-Regierung unter Abe Shinzô Atomstrom auch in Zukunft eine „Grundlastenergiequelle“ bilden soll (20-21% bis 2030).

Fuchigami Tarô渕上太郎(*1942) erinnert sich (vgl. in Oguma 2013: S. 79-82), dass ihm und einigen anderen Teilnehmern der Menschenkette plötzlich die Idee gekommen sei, doch nicht einfach wieder auseinanderzulaufen, sondern dass es eines realen Raumes bedürfe, um der Anti-AKW-Bewegung zu mehr Kontinuität zu verhelfen. So sei noch am gleichen Abend – auf besagtem Eckplatz – ein erstes, sechs tsubo (reichlich 18m²) großes Zelt errichtet worden, in Nachbarschaft zu den vier jungen Leuten, die sie als eine Art Enkelgeneration wahrgenommen hätten. Letztere haben insgesamt 10 Tage, bis zum 19. September, ausgeharrt, während die wesentlich älteren „Zeltleute“ – unter ihnen auch (wie Fuchigami) ehemalige Kämpfer gegen den Sicherheitsvertrag mit den USA, deren durchaus auch radikale politische und soziale Protesterfahrungen bis in die 1960er und 1970er Jahre zurückreichen – nach einigen Beratungen sowie Verhandlungen mit Beamten des METI beschlossen haben zu bleiben . Sie  stellten einen Antrag auf Erlaubnis der Nutzung des staatlichen Bodens. „Auf diese Weise wurde der Zeltplatz vor dem METI in Kasumigaseki , mitten in der Hauptstadt – eben dort, wo sich alle Ministerien und Behörden dicht aneinanderreihen – zu einer Willenserklärung des Protestes gegen die Befürworter von Atomkraft, also gegen TEPCO als Verursacher der Havarie im AKW Fukushima Daiichi und gegen den Staat in Gestalt des METI.“ (80) Einen guten „Rundumblick“ über das Areal, in dem Tento hiroba liegt – eine vielbefahrene und sonst vor allem von Beamten und Geschäftsleuten frequentierte Straßenkreuzung – bietet die folgende knapp eineinhalbminütige Videosequenz von „Voicesofprotest“ aus YouTube: https://www.youtube.com/watch?v=WcMag_O45Tc ). Der offizielle Name des Camps lautet seither  Datsu/Han-genpatsu keisanshô-mae tento hiroba (kurz: Tento hiroba): „Zeltplatz vor dem METI gegen AKW/für den Ausstieg aus der Atomkraft“.

In wenigen Tagen wäre dort der bereits in Vorbereitung befundene 5. Jahrestag begangen worden – wenn nicht in einer Nacht- und Nebelaktion der Polizei und staatlicher Behörden in den Morgenstunden des 21. August 2016 in nicht einmal zwei Stunden das Lager geräumt und damit der weltweit längsten „Occupy“-Aktion ein Ende bereitet worden wäre. Es war diese der 1807. Tag seit Beginn der Besetzung, ein Tag, an dem sich, wie einer meiner Studenten in Erfahrung bringen konnte, einige der Aktivisten in Fukushima aufhielten, um dort an verschiedenen Veranstaltungen teilzunehmen – was darauf hindeutet, dass die Planer der Räumung über die Aktionen der (vermutlich rund um die Uhr beobachteten) Zeltbewohner Bescheid wussten. Und es war auch der Abschlusstag der Olympischen Spiele in Rio, an dem die ohnehin große Aufmerksamkeit der Bevölkerung und der Massenmedien sich Stunden später noch einmal auf einen besonderen Höhepunkt richten wird: auf die Abschlussveranstaltung, bei der nicht nur die Olympische Flagge an Koike Yuriko überreicht wird, also an die gerade neu gewählte Gouverneurin von Tôkyô, dem Austragungsort der 2020er Spiele. Es wird auch Premier Abe Shinzô auftauchen, der als „Superma-Rio“ verkleidet ist und – vom Kasumigaseki-Regierungsviertel kommend – via Subzentrum Shibuya durchs Erdinnere mitten ins Maracana-Stadium gebeamt wird. Dort hält er einen roten Ball in der Hand, den er nach einer furiosen Laser-und Tanzshow in die Hände japanischer Olympiateilnehmer legt und mit ihnen gemeinsam ruft: „See you in Tôkyô!“. Ein Gruß, der als Schriftzug auch in der Spielfeldmitte  erscheint, darüber die illuminierte Silhouette der Megalopolis mit dem „heiligen“ Weltkulturerbe Fuji-san, dem Fuji-Berg, im Hintergrund (leider ist diese YouTube-Videosequenz aus urheberrechtlichen Gründen nicht mehr abrufbar).

Doch lange bevor dieser Gruß aus dem virtuellen Tôkyô auch über die Bildschirme japanischer Zuschauer flimmerte, waren – ebenfalls dank Hightech und der Neuen Medien – bereits erste Protestaktionen gegen die sehr reale Zwangsräumung im realen Tôkyô im Gange, auch wenn diese sich von der Zahl der Teilnehmer in Grenzen hielten. „Ein Gefühl tiefer Enttäuschung, des Verlustes geht einher mit stillem Zorn. Der Gedanke, etwas Unersetzbares verloren zu haben, Trauer, die wohl nicht so schnell verschwinden, nicht zu trösten sein wird, und von der ich auch nicht möchte, dass sie verschwindet. Ich schaue auf die kalt und hoffnungslos aussehenden Mauern der Macht, und möchte doch diesen Anblick nicht vergessen. Das bleibt als Erinnerung tief in mir erhalten, war  vielleicht der Sinn für mich als Mitorganisator der Zelte.“ Das sind erste Reflexionen des Publizisten (und ebenfalls ehemaligen studentischen Aktivisten der 1960er/70er) Mikami Osamu三上治 (*1941), die er an den Tagen 1 und 2 nach den 1807 Tagen im „Zelt-Tagebuch“ (Tento nikki, vgl. hier: http://tentohiroba.tumblr.com/ ) niederschreibt. Ja – das ist die neue Zählung von Aktivisten wie Mikami, die von Beginn an dabei waren – und deren Sicht ist es vor allem, die ich in diesem kleinen Text referiere. Wurde also vom 11.9.2011 an die Zeit in Tagen gemessen, die das Lager bestand (und zwischendurch auch in Tagen, an denen ganz Japan atomstromfrei ist und war) , so wird nun in „Tagen danach“ gezählt. Und es sind keineswegs nur solch verhalten-nachdenkliche, in die vergangenen knapp fünf Jahre zurückschauenden Einträge, die das Tagebuch nun bestimmen, sondern schon wird zu den nächsten Aktionen aufgerufen, die an das, was bisher geleistet wurde, unmittelbar anknüpfen. So wird am „Tag 5 danach2 (26.8.2016) davon berichtet, was seit dem Tag 1807 (bzw. 1 danach) eben dort passiert, wo bislang die Zelte gestanden haben, nun aber eine mit grünen Blättern bemalte Absperrung errichtet wurde: Sit-ins, Gesprächsrunden im Stehen, Ansprachen von den Zelt-Aktivisten selbst (von denen einer den originellen Gedanken äußert, dass die Zelte zwar beseitigt wurden, die AKW ja aber noch nicht, weshalb nun wohl nichts anderes übrig bleibe, als dass jede, jeder einzelne nun selbst zum Zelt werden und bleiben müsse), aber auch Beiträge von Leuten, die  „Occupy METI“ in der einen oder anderen Weise unterstützt haben. Auch der Bauer Yoshizawa Masami吉沢正巳 (*1954) kommt aus seiner nur 14 km vom havarierten AKW Fukushima Daiichi entfernt in der  „No go-Zone“ gelegenen „Farm der Hoffnung Fukushima“ (Kibô no bokujô Fukushima) angereist, wo er auch nach „3.11“ mit seinen etwa 300 kontaminierten Rindern lebt und sich weigert, die Tiere notschlachten zu lassen, wie die Regierung es ganz nach dem Motto „Was stinkt – Deckel drauf“ per Dekret eigentlich verordnet hatte (vgl. auch Richter 2013: 407-411). Ausführlich – in Form von Live-Video-Mitschnitten – informiert über diese Aktivitäten das unabhängige und alternative Live-Stream-Medium „Independent Web Journal“ (IWJ) von Iwakami Yasumi岩上安身 (*1959) und seinem Team, das am 21.8. ab etwa 9 Uhr vor Ort filmte; siehe hier: http://iwj.co.jp/wj/open/archives/326652 ; http://iwj.co.jp/wj/open/archives/326859 . In einer auf YouTube auch einzeln zugänglichen Sequenz der IWJ-Dokumentation (https://www.youtube.com/watch?v=gQ_ISk8jWr8) kann man Yoshizawa auf seiner „Nostalgie-Kuh“ (bôkyô no ushi) sitzen sehen – eine drahtige Skulptur, die er von der Künstlerin Tomotari Mikako (*1965) 2012 geschenkt bekommen hatte und mit der er seither an Anti-AKW-Demonstrationen auch in Tôkyô teilnimmt, stets mit einem Abstecher zum „Occupy METI“.

Umringt von zahlreichen Polizisten, versucht Yoshizawa die im doppelten Sinne aufgeheizte Atmosphäre zu beruhigen, bevor er von seiner „Nostalgie-Kuh“ heruntergezerrt wird. Später von einem IWJ-Mitarbeiter interviewt, erzählt er, dass er natürlich am kommenden 11. September am (bereits vor dem 21.8.) geplanten „AKW-Ausstiegs-Wut-Festival“ (Datsu-genpatsu 9.11. ikari no festibaru) partizipieren werde, dafür habe er jetzt auch seine Kuh mitgebracht, die er dann in einen Mikoshi – einen tragbaren Schrein – verwandeln und mit ihr durch die Straßen prozessieren werde. Und im Hintergrund hört man ein knarzendes Saxophon, auf dem der auch als Punk- Rocker und DJ bekannte Kamuro Tetsu (alias Kaenbin (=Molotov) Tetsu, der auch die oben erwähnte Zelt-Idee äußerte http://fukusimatotomoni.blog.fc2.com/ ) „We shall overcome“ spielt.

Mit diesen wenigen Impressionen soll gezeigt werden: Die Aktionen gehen weiter, und zwar in der Weise, die auch bisher prägend gewesen war. Der schon mehrfach erwähnte Zorn (ikari) ging und geht stets auch mit einer Prise Humor einher; es wurde und wird diskutiert, gestritten, musiziert. Im Laufe der knapp fünf Jahre wurde zudem gemeinsam gekocht und gegessen, auch getanzt, geweint, getrauert – um verstorbene Aktivisten und Aktivistinnen. Mikami  Osamu fasste, als das Zeltlager 500 Tage alt wurde, das Leben dort in seinem Bericht „Fast zwei Jahre: Der Zeltplatz an der Ecke vor dem METI (3)“ (Keisanshô no ikkaku ni datsu-genpatsu tetnto sonzoku shiteiru (3)) folgendermaßen zusammen. „Viele Leute kommen her, um sich auszutauschen, treffen sich hier. Auch Versammlungen finden häufig statt, und traditionelle Tänze wie der „Kansho odori“ werden aufgeführt. Auch unschöne Dinge geschehen. Mal herrscht eintöniger Alltag, dann wieder passiert etwas und bringt alles durcheinander. Hier ist ein wirklich unbeschreiblicher Raum (Platz) entstanden … Mag sein, dass das nichts als unsere Sehnsüchte sind, doch ich jedenfalls empfinde es so.“ http://www.alter-magazine.jp/index.php?%E7%B5%8C%E7%94%A3%E7%9C%81%E3%81%AE%E4%B8%80%E8%A7%92%E3%81%AB%E8%84%B1%E5%8E%9F%E7%99%BA%E3%83%86%E3%83%B3%E3%83%88%E3%81%AF%E5%AD%98%E7%B6%9A%E3%81%97%E3%81%A6%E3%81%84%E3%82%8B%EF%BC%883%EF%BC%89 .

Zu den unschönen Dingen gehören sicher die Provokationen von rechtsextrem-nationalistischen und AKW befürwortenden Kräften, die mit ihren schwarzen, mit Mega-Lautsprechern bestückten Autos immer mal wieder aufkreuzen und Drohungen ausstoßen (zuletzt am 14.8., worüber auch IWJ berichtete, vgl. hier: http://iwj.co.jp/wj/open/archives/325531 ), zuweilen auch handgreiflich werden würden, würde nicht die Polizei zwischen beide Fronten gehen.  Und sicher gehört auch die gerichtliche Klage dazu, die die staatliche Behörde gegen zwei der „Okkupanten“ (neben Fuchigami auch gegen Masakiyo Taichi 正清太 (*1938) erstmals Ende März 2013 erhoben hat. Auch jetzt stehen noch und wieder jene Schilder vor der errichteten Absperrung, auf denen zu lesen ist: „Staatseigenes Land. Betreten für Unbefugte verboten“ (Kokuyûchi – kankeisha igai tachiiri kinshi). Da die Aktivisten als Unbefugte gelten (das heißt, ihrem Antrag auf Nutzungserlaubnis wurde nie stattgegeben) haben sie dieses Verbot verletzt und müssen sich wegen widerrechtlicher Besetzung staatlichen Landes vor dem Obergericht Tôkyô juristisch verantworten – die Räumung des Platzes wird gefordert und eine Schadenssumme in Höhe von ca. 33 Mio. Yen (= knapp 290.000 Euro; pro Tag 21.917 Yen = 292 Euro). Unterstützt von zahlreichen Rechtsanwälten wehren sich die Angeklagten natürlich gegen diese Vorwürfe und führen immer wieder die Gründe an, mit denen sie ihr widerständiges Handeln rechtfertigen. Denn was heißt schon „unbefugt“? Mit ihren Aktionen wollen sie auf das unverantwortliche Handeln des Fukushima Daiichi-AKW-Betreibers TEPCO wie auch des Staates/METI im Gefolge des Supergaus aufmerksam machen. Tento hiroba sei zu einem Ort geworden, an dem sich all jene treffen können, die den Ausstieg aus der Atomkraft verwirklichen wollen; ein Ort, an dem die Gedanken und Empfindungen der Menschen zusammenkommen, die aufgrund der Havarie haben fliehen müssen und die es in alle Winde zerstreut hat; ein Ort, der einer nach Tôkyô evakuierten Frau aus Fukushima zur „zweiten Heimat“ geworden sei – so ist es zu lesen auf der Homepage http://tentohiroba-saiban.info/ , die Materialien und Informationen über den laufenden Prozess und den Widerstand dagegen bereitstellt.

In der Tat ist der „Zeltplatz“, ist „Occupy METI“ seit dem 11. September 2011 zu einem zentralen Ort, zu einem Knotenpunkt der Anti-AKW-Proteste geworden, die bereits seit April des gleichen Jahres anschwellten und seither andauern. Über sie berichtet der Dokumentarfilm „Tell the Prime Minister“ des japanischen Soziologen Oguma Eiji小熊英二 (*1962) – mittlerweile selbst Aktivist –, der zu Beginn des Jahres 2016 auch in verschiedenen deutschen und europäischen Städten zu sehen war (vgl. auch das von Oguma 2013 auf Japanisch herausgegebene Buch „Leute, die die AKW stoppen. Von 3.11 bis zu den Protesten vor der Residenz des Premiers“, das auch Fuchigamis obigen Bericht enthält). Zu einem solchen rebellischen Raum konnte er sich dank des Zusammenwirkens der folgenden drei Momente konstituieren

  1. Die Präsenz und die verschiedenen Aktivitäten der „Okkupanten“ selbst, die sich in ihrer Anwesenheit einander abwechselten und so dafür sorgten, dass die Zelte stets, Tag und Nacht, bei Hitze und Kälte, während Taifunen und Erdbeben, besetzt waren: zunächst Zelt 1, seit Ende 2012 Zelt 2 als das „Atomkraft, nein danke!-Frauenzelt: an der Seite von Fukushima“, und 2013 kam ein drittes hinzu.
  2. Von ebenso großer Bedeutung sind die vielen in- und ausländischen Besucher der Zelte, die an diesem Ort aus unterschiedlichen Motiven zusammenkamen und mit ihren sehr verschiedenen Ideen, Aktivitäten und (finanziellen, logistischen, Ess- und Trinkwaren-) Unterstützungen dessen Langlebigkeit überhaupt erst ermöglichten. Am lebendigsten war, ist, und wird es wohl sein an den Freitagen, an denen viele Teilnehmer ´vor oder nach dem „Freitagsprotest vor dem Amtssitz des Premierministers“ (Kinyôbi kantei-mae kôgi) einen Abstecher auch zum nahegelegenen Zeltplatz machen. Diese Protestaktion fand erstmals am 29. März 2012 und dann seit dem 6. April freitags zwischen 18 Uhr und 20 Uhr statt, seither Woche für Woche um die gleiche Zeit – über die Zahl der Teilnehmer gibt die eine Homepage Auskunft, die von den Organisatoren Metropolitan Coalition Against Nukes  betrieben wird: http://coalitionagainstnukes.jp/?p=6199 ). Auch die künstlerische Komponente ist zu erwähnen, die zur Anziehungskraft des Platzes beitrug. So verwandelten die Frauen von Zelt 2 ihr Domizil Anfang Dezember 2015 zugleich in ein „Anti-nuclear Tent Museum“ (Han-genpatsu bijutsukan)  um, in dem schon wenige Tage später, am 19. Dezember, ein „Anti-Atom(bombe wie auch –kraftwerk)-Holzschnitt-Workshop“ veranstaltet wurde, organisiert und durchgeführt vom “A3BCollective/ Anti-War, Anti-Nuclear and Arts of Block-print Collective”, Illcommonz, Misato Yugi und anderen Künstlern. Die dabei entstandenen Werke wie auch alle anderen Artefakte des Museumsbestandes wurden am 21.8. ebenfalls von den Räumungsvollstreckern mitgenommen und einer Zwischenlager-Firma übergeben. Werden die Dinge innerhalb eines Monats nicht abgeholt, würden sie versteigert – meldet die Facebook-Seite des Museums am 27.8. (10:35 https://www.facebook.com/antinuketent2015/ );
  3. Neben diesen beiden Formen der „physischen“ Präsenz spielt zudem die mediale Präsenz von Tento hiroba eine zentrale Rolle. Das Internet-(online-)Tagebuch wurde bereits erwähnt, hinzuzufügen ist vor allem auch der TV-Sender Aozora („Blauer Himmel“), der wesentlich von der Journalistin Matsumoto Chie 松本ちえgeprägt wurde. Wie vom Namen angedeutet, geht dieses Livestream-Fernsehen „unter freiem Himmel“ über den Äther – erstmals am 14. September 2012 und dann über Monate hinweg (fast) jeden Freitag ab 16 Uhr. Das ermöglichte Interessenten in Japan wie auch außerhalb, live vom Zeltplatz aus über aktuelle und / oder länger laufende Anti-AKW-Aktivitäten im ganzen Land informiert zu werden und Hintergrundwissen dazu zu erfahren – je nachdem, wer vor die Kamera geladen war und berichtete. Und wie die spontanen Protestaktionen unmittelbar nach der Zwangsräumung am 21.8. zeigen, sind natürlich auch die sozialen Netzwerke wie Twitter, Facebook oder Mixi unverzichtbar für die Alltagskommunikation und damit den Bestand dieses umkämpften Raumes mitten im Regierungsviertel.

Ich fasse einstweilen zusammen – mit dem wohl überflüssigen Hinweis darauf, dass eine Analyse des Tento hiroba in seiner zeitlichen Gesamtheit, seiner Bedeutungsvielfalt, einschließlich der eben erwähnten medialen Quellen (unter denen das Tagebuch wohl die größte Herausforderung bildet), aussteht. Eine Analyse, die aber zweifellos eine lohnenswerte und notwendige Aufgabe darstellt, denn die Aktivitäten des „Frauenzeltes“ etwa wurden hier noch gar nicht berührt bzw. in den Blick genommen:

Vor knapp 50 (1967) Jahren erschien Henri Lefebvres inzwischen zum Klassiker gewordene Schrift „Recht auf Stadt“. Es war dies eine Zeit, in der Leute wie Mikami, Fuchigami oder Masakami mit Helmen und Knüppeln auf die Straße zogen und sich dort sowie in den Universitäten verbarrikadierten, um sich vor der Bereitschaftspolizei zu schützen; in der sie sich in den Dienst des proletarisch-antikapitalistischen Kampfes verschiedener radikaler Organisationen stellten. Auch darüber reflektieren sie im Tento hiroba-Tagebuch, diskutieren sie untereinander und mit Besuchern. Tento hiroba ist ein Forum, ein Ort, an dem Demokratie verteidigt und der Stimme „des Volkes“ Raum gegeben werden soll. Es geht, so Fuchigami, auch um die Verteidigung des Artikels 12 der japanischen Verfassung, der da lautet: „Das Volk wird unablässig bestrebt sein, die durch diese Verfassung garantierten Rechte und Freiheiten aufrechtzuerhalten. Es wird sich jeden Mißbrauchs dieser Rechte und Freiheiten enthalten und immer dafür verantwortlich sein, daß sie im Interesse des öffentlichen Wohles wahrgenommen werden.“ Fuchigami fährt fort: „Die Zelte zu errichten und den Willen zum Protest Ausdruck zu geben, eben das ist unserer Meinung nach unablässiges Bestreben des Volkes, Recht und Freiheit aufrechtzuerhalten.“ (81). Dafür einen zentralen Ort, einen Raum zu konstituieren, wo den verschiedenen Forderungen der AKW-Gegner immer wieder Gehör verschafft wird, ist auch eine wichtige Praktik, Recht auf Stadt und ein gutes Leben darin zu beanspruchen. Möge es auch weiterhin – ganz im Sinne von Kamuro Tetsu – viele Zelte geben.

Literatur:

Fuchigami, Tarô: „Keisanshô-mae tento wa gôhôsei o mezasu“. [Die Zelte vor dem METI streben nach Legalität]. In: Oguma Eiji (Hg.): Genpatsu o tomeru hitobito – 3.11 kara kantei mae made [Leute, die die AKW stoppen. Von 3.11 bis zu den Protesten vor dem Amtssitz des Premiers]. Tôkyô: Bungeishunjû, 2013, S. 79-82.

Richter, Steffi: „‘Fukushima‘. Wissen er/fahren: Vor Ort“. In: Gebhardt, Lisette/Richter, Steffi (Hg.): Lesebuch „Fukushima“. Übersetzungen, Kommentare, Essays. Berlin: EB-Verlag Dr. Brandt, 2013, S. 400-421.

(Mit Erlaubnis der Autorin etwas gekürzte Fassung)

公開討論: 破局後五年目のフクシマと今後

Am 11. März 2016 fand in der Werkstatt der Kulturen in Berlin-Neukölln die Erinnerungsveranstaltung “Fukushima the Aftermath“ statt, an der sich viele Künstler aus verschiedenen Bereichen beteiligten. Zahlreiche Besucher fanden bis spät in den Abend hinein ihren Weg zur Veranstaltung. Diese Podiumsdiskussion war Teil der Erinnerungsveranstaltung. An der Planung und Organisation hat vor allem Yû Kajikawa, ein Mitglied unserer Gruppe Sayonara Nukes Berlin, sehr aktiv mitgewirkt.

Nach einer Begrüßung durch Moderator Thomas Dersee von „Strahlentelex“, der in seiner Ansprache auf die Katastrophe vor fünf Jahren zurückblickte, legten die über 100 Teilnehmer, die die Kapazität des Veranstaltungsortes weit überschritten, gemeinsam eine Schweigeminute für die Opfer ein.

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Thomas Dersee

Als Eröffnung trugen zwei Dichter Gedichte vor; der amerikanische Schriftsteller Philip Lewis, der aus den Erfahrungen von seiner Weltreise ein Gedicht für Fukushima verfasst hat, und die deutsche Dichterin Traude Bührmann, die sich mit einem Prosagedicht an ihre eigenen Erfahrungen aus der bisherigen Bewegung gegen AKWs erinnerte.

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Philip Lewis
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Traude Bührmann

Der erste Redner war der japanische Journalist Masao Fukumoto, der sich beim Thema AKWs sowohl in Japan als auch in Deutschland auskennt. Er hat das Katastrophengebiet im letzten Jahr zweimal besucht und referierte über diese Reisen mit eigenen Fotos. Beeindruckend waren die Bilder der verwüsteten Geisterstädte sowie die grotesken Landschaften aus Häufen schwarzer Beutel mit verseuchtem Sand von den Dekontaminierungsarbeiten. Fukumoto äußerte seine Skepsis, ob in dieser Situation die „Rückkehr“ der Betroffenen überhaupt möglich sei. Er berichtete auch über aktuelle Probleme wie Konflikte zwischen den Evakuierten und den Einwohnern der Evakuierungsorte, Streit unter den Evakuierten in Bezug auf die Rückkehr sowie die Diskriminierung, welche die Umziehenden in ihren neuen Heimatorten erleben. Hier bestehen viele Gemeinsamkeiten mit der aktuellen Flüchtlingsfrage in Europa.

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Masao Fukumoto

Direkt im Anschluss berichtete Yû Kujikawa emotional von ihrer eigenen Reise und davon, wie sehr die Begegnung mit „Menschen, die alles verloren haben“, sie erschüttert habe.

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Yû Kujikawa

Ein weiterer Hauptgast war Martin Donat, der die Bürgerbewegung für Umweltschutz in Lüchow-Dannenberg, d.h. Gorleben, vertritt und in dieser seit 40 Jahren hartnäckig gegen das Endlager und die Castortransporte protestiert.

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Martin Donat

Auch Donat hat Fukushima seit dem Unfall bereits zweimal, 2012 und 2014, mit seinem eigenen Strahlungsmesser besucht. Aufgrund seiner Beobachtungen wies er kritisch auf den Unsinn bzw. die Wirkungslosigkeit der Dekontaminierungsarbeit und auf die absurde Tatsache hin, dass die Opfer selbst für diese Arbeit mobilisiert werden. Gorleben und Fukushima würden deutlich zeigen, dass die Technologie von AKWs sich nicht mit der Demokratie vertrage. Dies stellt eine wesentliche Frage dar, wie das sog. „Atomkraft-Dorf“ in Japan exemplarisch zeigt. Die Existenz der Atomkraft als solche produziert notwendigerweise Hierarchien zwischen den Betroffenen und Verschleierungsmechanismen. Donat fragte schließlich ironisch, was es mit der bei einer internationalen Versammlung just drei Monate vor der Katastrophe geäußerten Propaganda der japanischen Zuständigen für AKWs auf sich gehabt habe, die behauptet hatten: „Wir kennen uns mit AKWs aus.“

Danach diskutierten die Redner untereinander. Fukumoto wies darauf hin, dass in Japan die betroffenen Einwohner kritiklos dem Aufbau der AKWs zugestimmt haben und dass sie oft der Anti-Atomkraft-Bewegung überdrüssig seien. Er warf Zweifel an der „Demokratie“ in Japan auf, die lediglich als Zahlenspiel funktioniere. Dies ist ebenfalls ein sehr wichtiger Hinweis, weil er uns dazu auffordert, erneut über die Demokratie nachzudenken.

Der Japankenner Dersee wies auch auf den Widerspruch hin, dass die Wähler trotz ihrer Meinung gegen AKWs letztlich die LPD von Abe gewählt haben. Er war der Meinung, dass in letzter Zeit auch in Deutschland, das sich für die Abschaffung der AKWs entschieden hat, eine Gegenbewegung zu sehen sei. Ihm zufolge stünden dabei wirtschaftliche Interessen im Vordergrund. Europa sei der Gefahr noch nicht entkommen. Er wies auch auf die konkrete Gefahr der Reaktoren in England, Belgien und Ungarn hin.

Darauf antwortete Kajikawa mit ihrer Äußerung, die sich an den Worten des Aktivisten Jochen Stay von „.ausgestrahlt“ anlehnte: „Bürgerbeteiligung darf nicht die Beteiligung an den Kosten und an Folgeschäden bedeuten, sondern die an den Entscheidungen darüber, was mit uns, mit unserem Leben und mit unserer Umwelt geschehen darf und was nicht.“
Dersee erzählte von seinen eigenen Strahlungsmessungen, die er und andere Bürger seit 30 Jahren aus eigenem Antrieb durchführen. Ihm zufolge gibt es momentan auch in Japan über 100 solche Messgruppen. Es ist sehr wichtig, im Alltag beharrlich solche Aktivitäten fortzusetzen.

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Von links: Masao Fukumoto, Yû Kujikawa, Thomas Dersee, Martin Donat

Das Hauptthema der zweiten Hälfte war die erneuerbare Energie. Obwohl das Potenzial für erneuerbare Energie in Japan ziemlich hoch ist, entwickelt sie sich nicht wie erwartet. Die Ursache liege bei der gegenwärtigen Regierung, die AKWs weiterbetreiben wolle und die Entwicklung erneuerbarer Energien unterdrücke, so Fukumoto. Darauf betonte Donat, dass man einen zähen Kampf gegen das „Atomkraft-Dorf“ fortsetzen und noch deutlicher auf die immensen Kosten für AKWs hinweisen müsse.

Zum Schluss wurden Fragen aus dem Publikum gesammelt. Es wurden viele Fragen gestellt, etwa zum Monopol der Elektrizitätsgesellschaften, zum kritikunfähigen Journalismus in Japan, zu den Interessen der Japaner an Tschernobyl und den engen Beziehungen zwischen AKWs und Militär sowie zum Entvölkerungsgebiet. Eine erschöpfende Diskussion dieser Themen war nicht möglich. Zumindest half die Diskussion dabei, die Weite der Problematik zu erkennen.

Ein koreanischer Teilnehmer schilderte die Situation der AKWs an der Japan zugewandten Küste Koreas und appellierte für die Notwendigkeit eines internationalen Netzwerkes der Protestbewegung.

Sehr beeindruckend war die Antwort von Donat auf die Frage von Dersee, warum die Bewegung in Gorleben durch Generationen hindurch fortgesetzt werden konnte. Donat erklärte entschieden, dass für die Bewegung immer etwas Attraktives nötig sei und dass diese Attraktivität nichts anderes sei als erneuerbare Energie. Nur durch Anklage und Kritik an der negativen Seite der Katastrophe könne man eine Bewegung nicht lange erhalten. Es müsse darin irgendetwas geben, das den Teilnehmern ein positives Gefühl vermitteln kann. Gerade das sei das Potenzial der erneuerbaren Energien. Dersee unterstützte diese Ansicht, indem er betonte, dass für eine Bewegung sicherlich „Freude“ nötig sei.

Eine Bewegung muss nicht immer von Geschrei und schmerzverzerrten Gesichtern begleitet werden. Wenn wir uns die Protestbewegung gegen AKWs vorstellen, die noch Hunderte von Jahren, nein, ewig fortgesetzt werden muss, so mag der Verweis von Donat und Dersee auf etwas Positives in der Bewegung zu einfach erscheinen. Bedenkt man die langjährige Erfahrung der beiden, sollten wir aber genau zuhören.

Ich musste dabei schmunzeln, zeigt dieser Hinweis doch, dass unsere Gruppe SNB, in der verschiedene „Spieler“ ihre Aktionen auf je eigene Weise „genießen“, auf der richtigen Fährte zu sein scheint.
Es bleibt mir nochmals der Opfer der Katastrophe zu gedenken.

(12. März. 2016, Binmei)

3月11日に思う。

11. März.

Meine Gedanke und Gebete sind bei den Menschen in Japan, die durch das Erdbeben, den Tsunami und die AKW Katastrophe betroffen sind.

Dieses Jahr ist der fünfte Jahrestag der Atomkatastrophe in Fukushima und der 30. Jahrestag der Katastrophe in Tschernobyl. Die schrecklichen Bilder der Explosion im Atomkraftwerk Dai-ichi in Fukushima sind unvergessen. Billionen an Becquerels an Strahlung gelangten ins Wasser und in den Pazifik. Die japanische Regierung ist überfordert angesichts der Mengen an Atommüll, welcher im Osten Japans lagert.

Da ihre Häuser wegen der Strahlung unbewohnbar sind, leben ungefähr 80.000 Menschen von Fukushima immer noch in Übergangswohnungen. Tschernobyl hat gezeigt, dass auch niedrige Strahlenbelastung über lange Zeit gesundheitsschädigend sein kann. In Deutschland sind acht AKWs in Betrieb und die Unfälle in alternden Atomreaktoren in Belgien werden in den Nachbarländern mit Sorge verfolgt. Auch nach Fukushima ist Europa wieder Gefahren ausgesetzt.

Obwohl verantwortlich für den Unfall, wurde TEPCO nicht offiziell angeklagt. Ohne wirklich von der Katastrophe in Fukushima gelernt zu haben, will die japanische Regierung wieder AKWs in Betrieb nehmen und hat vor kurzem vier Reaktoren gestartet. Nach der Aufhebung des Evakuierungsbefehls in 2017 werden wohl viele der Menschen, die aus Fukushima evakuiert wurden, sich gezwungen fühlen, nach Hause zurück zu gehen. Das bedeutet auch, dass die Regierung dann an sie keine Entschädigungen mehr zahlen muss. Anstatt die betroffenen Menschen weiterhin zu unterstützen, wird Japan 1.8 Billionen Yen (15 Milliarden Euro) für die Olympischen Spiele 2020 in Tokyo ausgeben. Ausserdem verkauft Japan Atomtechnologie an Indien, die Türkei und Japan. Die großen Hersteller von Atomkraftwerken sind darauf aus, im Ausland Profit zu machen, zusammen mit europäischen Firmen.

Eine Stimme aus Fukushima (Interview vom Februar 2016)

Ich bin von meinem Zuhause geflohen und lebe nun 80 km vom AKW entfernt. Wir befinden uns in einem echten Dilemma, da wir schon bald aus unserer Übergangswohnung ausziehen müssen. Politische Entscheidungen zwingen uns dazu, nach Hause zurückzukehren. Ich bin jedoch sehr besorgt wegen der Strahlung und frage mich, ob wir genügend Geld zum Leben verdienen können.

Es macht mich wütend, wenn ich höre, wie Politiker über unsere Heimkehr diskutieren. Ich finde, sie nehmen die Strahlung nicht ernst genug. Die Wohngebiete wurden dekontaminiert und die Regierung hat den Evakuierungsbefehl aufgehoben, da die Strahlenbelastung jetzt weniger sei. Aber wer will denn an einem Ort leben, der voll von Säcken mit radioaktivem Müll ist?

Als Tokio für Olympia 2020 ausgewählt wurde, war Japan voller Begeisterung, ich aber empfand es als ungerecht. Das Leid und der Schmerz der Menschen, die so viel ertragen mussten, wurde komplett ignoriert und die Sendungen im Fernsehen taten so, also ob der Atomunfall gar nicht passiert sei. Ich versuche, nicht an die Olympischen Spiele zu denken und ich schaue auch keine Nachrichten, weil ich glaube, dass sie manipuliert sind.

Wir vergessen so leicht das, was wir nicht sehen. Die unsichtbare Strahlung bedroht unseren Planeten und unser Leben. Den kommenden Generationen ein Erbe von Atommüll zu hinterlassen ist ethisch nicht mehr vertretbar. Atomenergie und Menschen sind nicht kompatibel, das haben Tschernobyl und Fukushima gezeigt. Eine Energiewende alleine in Deutschland ist nicht genug, um globale Probleme zu lösen. So lange nicht alle AKWs stillgelegt und der Abbau von Uran beendet ist, werden wir Gefahren ausgesetzt sein. Wenn Du der Meinung bist, dass Atomkraft unnötig ist, sag es! Wir sind alle Teil von politischen Entscheidungen. Vielleicht glaubst Du, dass deine Stimme alleine nicht beachtet wird – aber zusammen können wir viel erreichen.

Wir veranstalten eine Demonstration am 19.03. mit dem Motto “Fukushima und Tchernobyl mahnen Atomausstieg Weltweit!”

plakate_2016_pfad Auf eure Teilnahme freuen wir uns!

Mehr Informationen: 100 Gute Gründe gegen Atomkraft

http://100-gute-gruende.de/index.xhtml

 

(Deutsch-Übersetzung :  Matthias Krammel)

Protestival 2016 Nuclear, Democracy and Beyond

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Zwischen dem 5. Jahrestag von Fukushima (11.03.2016) und dem 30. Jahrestag von Tschernobyl (26.04.2016) organisieren wir unter dem Titel “Protestival” eine Reihe von Veranstaltungen zum Themenkomplex “Atomenergie und Demokratie“.

Die beiden Super-GAUs sind noch lange keine Vergangenheit! Sie können sich jederzeit und überall wiederholen.

Wir nehmen die beiden Jahrestage zum Anlass, um uns erneut an die Gefahren der Atomenergie, an das Ausmaß und die andauernden Folgen von beiden Super-GAUs sowie die weltweit um die Kerntechnologie praktizierte Diskriminierung und Verletzung der Menschenrechte zu erinnern.

Diverse Events anläßlich der beiden Jahrestage von Fukushima und Tschernobyl (Kunst, Musik, Performance & Diskussion, Filmvorführungen, Fotoausstellung, Demonstration, etc.)

Mehr info ->>    www.protestival.de

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会津磐梯山リミックス2015

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Ihr könnt ab sofort die exklusiven Remixlieder von Aiizu-Bandaisan (ein Volkslied aus der Region Fukushima) anhören, die extra für die Kazaguruma Demo 2015 geschaffen wurden, Demo zum 4.  Jahrestag von der Fukushima-Katastrophe mit dem Motto “Vergesst Fukushima nicht!”,  die am 07.03.2015 in Berlin stattfand.   Erlebt die vielfältigen 14 verschiedenen Remixlieder!

https://sayonaranukesberlin.bandcamp.com/album/remix-for-fukushima

Unser großer Dank geht an die Musiker/Künstler, die freiwillig viel Zeit und Mühe für dieses Projekt investiert haben.  Vielen herzlichen Dank!

Sayonara Nukes Berlin

 

sayonara nukes berlin de blog