Category Archives: ドイツの取り組み

北海道・寿都町の最終処分場反対グループへのゴアレーベン市民グループからの連帯メッセージ

Solidaritätsbekundung von der BI Lüchow-Dannenberg für die Widerstandsgruppe in Suttsu, Hokkaidô

Zwei kleine Gemeinden in Hokkaido haben sich um den Standort des Enlagers beworben – d.h. zugestimmt, dass Untersuchungen und Verträglichkeitsprüfungen dort stattfinden – im Alleingang des Gemeinderates. Als “Belohnung” für diese freiwillige Kandidatur und für die Untersuchung sollen diese Gemeinden viel Geld bekommen. Dabei ist diese Region, sagen viele Geologen, ungeeignet für so ein Tiefenlager, dort soll man verschiedene Erdschichten beobachten können, die durch von großem Erdbeben ausgelöste Stöße oder durch Verschiebungen gezeichnet seien.

Die Einwohner dort, die mit dieser Entscheidung nicht einverstanden sind, tun sich allmählich zusammen, um gegen dieses Vorhaben zu protestieren, die Bewegung ist aber noch sehr klein und vor allem sehr jung. In der Gemeinde Suttsu gibt es eine Gruppe, die nun eine Internet-Präsenz hat (auch wenn nur auf Japanisch: http://kakugomi.no.coocan.jp/index.html), aber in der anderen Gemeine Kamoenai gibt es leider noch nicht eine feste Gruppierung des Widerstands.

Genauso wie die Standorte für die bisherigen AKWs gefunden worden waren trotz großen Sicherheitsbedenken und negativ ausfallenden statischen/geologischen oder sonstigen wissenschaftlichen Untersuchungen, will die japanische Regierung hier auch diese Kriterien in einem geschlossenen Gremium entscheiden, ohne dass Bürger an der Entscheidung teilnehmen können. Und mit der Landkarte, die dieses Gremium veröffentlicht hat, auf der sehr viele Gegende als “tauglich” markiert sind und die viele Wissenschaftler als unseriös und unwissenschaftlich bezeichnen, will die Regierung einzelne Gemeinden dazu bewegen, sich zu kandidieren – damit Untersuchungen und Tauglichkeitsprüfungen stattfinden können – und dafür soll jede kandidierende Gemeinde schon sehr viel Geld bekommen.

Allein dieses undemokratische Verfahren und Vorgehenswese, die die Seele der Menschen in einer dünn besiedelten, wirtschaftlich ärmeren Region mit Geld zu kaufen, ist inakzeptabel.

Die eine Frau der Widerstandsgruppe vor Ort, mit der ich nun in Kontakt bin, klagt, dass die Lage gerade äußerst schwierig ist, da so eine kleine Gemeinde seit diesem Entschluss des Gemeinderates komplett gespalten sei. Der Staat versucht, viele Menschen mit großzügigen Geschenken an sich zu binden, und viele werden leider durch diese große Macht des Geldes ausgeblendet, dabei ist diese Gemeinde einst nicht nur ein friedliches Fischerdorf gewesen, sondern auch bis vor kurzem eine ökologisch ausgerichtete Kommune mit vielen Windrädern gewesen. Aber dadurch, dass die Stromtrassen in den Händen von großen Elektrizitätsgesellschaften sind, die AKWs betreiben, können sie die Abnahme des Ökostroms verweigern und auch wegen der eingeführten Umlage ist der Preis des Ökostroms gesunken, so war die Gemeinde anscheinend in finanzielle Not geraten. So wollte der Bürgermeister nun das Dorf “retten”, in dem er sich um den Standort für das Endlager kandidiert, um so vom Staat viel Geld zu bekommen. Das ist die grobe Zusammenfassung der Geschichte.

Es ist eine nun bekannte Tatsache, dass wir für diesen so viel gedankenlos entstandenen gefährlichen, strahlenden Müll eine Lösung finden müssen, um ihn möglichst “sicher” zu lagern. Dieses schlimme Erbe dürften wir nicht den nächsten Generationen einfach so weiter geben wie bisher geschehen. Aber es geht gleichzeitig darum zu definieren, was eine “gute” Lösung ist und wie die Kriterien festgelegt werden sollen, wonach diese Lösung bzw. der Standtort gefunden werden soll. In dieser “wackeligen” Inselgruppe wie Japan mit vielen aktiven Vulkanen und Tsunamigefahren sollte man eigentlich damit die Diskussion beginnen, ob ein Tiefenlager dort überhaupt vertretbar ist, was meiner Meinung gar nicht ist.

Nun hat die Widerstandsgruppe aus Bure, Frankreich, die vehement gegen den Bauplan des Endlagers Frankreichs, eine Solidaritätsbekundung nach Suttsu gesendet (siehe: https://nosvoisinslointains311.home.blog/2022/10/07/message-de-soutien-aux-habitant-e-s-de-suttsu-depuis-bure/

So war ich darauf gekommen, dass es gut wäre, auch eine ähnliche Botschaft auch aus Deutschland käme. Daraufhin habe ich die Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg (Gorleben) und die Gruppen aus Asse (Atommüllreport und die Arbeitsgemeinschaft Schacht KONRAD) kontaktiert. Sie wollen gern eine Solidaritätsbotschaft senden, und bereits habe ich eine von der BI Lüchow-Dannenberg erhalten, worüber die Gruppe in Suttsu sich sehr freut. Hier diese Botschaft:

Liebe Menschen in Suttsu,

wir Menschen aus dem Widerstand gegen den Standort Gorleben als Atommülllager senden euch herzliche solidarische Grüße. Wir wünschen euch sehr, dass es euch gelingt, die Suche nach einem Atommüllager allein nach geowissenschaftlichen Kriterien zu gestalten. Wir wissen wie schwer das ist und doch ist es der richtige Weg. Wir wünschen euch Zuversicht, Mut und Ausdauer auf diesem Weg. Wir hoffen, dass ihr viele Menschen davon überzeugen könnt, dass die Gemeindegelder für ein Atomülllager die Lebensgrundlage der Menschen in der Gemeinde verchlechtert.

Vielleicht seid ihr jetzt so etwas wie die Rufer in einer Wüste, aber euer Mut, eure Weitsicht und Fürsorge für die nachfolgenden Generationen ist wichtig und richtig. Im gemeinsamen Eintreten für eine Welt ohne Atomkraft und Atomwaffen.

grüßen wir euch ganz herzlich

die BI Lüchow-Dannenberg, die Fukushima Mahnwache Dannenberg und sicherlich alle Menschen guten Willens auf dieser Welt.

https://www.bi-luechow-dannenberg.de/

 

 

EURATOM欧州原子力共同体の条約を改正する約束を実現するように求める公開状

Offener Brief
an die deutsche Bunderegierung

Offener Brief Euratom PDF

Deutsche EU-Ratspräsidentschaft nutzen – versprochene Überarbeitung des
Euratom-Vertrages umsetzen

Am 1. Juli 2020 übernimmt Deutschland den Vorsitz im Rat der Europäischen Union. In dieser Zeit leitet und koordiniert die deutsche Bundesregierung die Arbeit des Rates. Die unterzeichnenden Organisationen und Initiativen erwarten von der Bundesregierung, dass sie den Vorsitz der Ratspräsidentschaft dafür nutzt, endlich einen konkreten Zeitplan für die Überarbeitung des Euratom-Vertrages zu vereinbaren.

Bereits in der Koalitionsvereinbarung von 2018 haben CDU/CSU und SPD vereinbart, dass der EuratomVertrag „hinsichtlich der Nutzung der Atomenergie an die Herausforderungen der Zukunft angepasst“¹ werden muss. Weiter wurde als Teil der Koalitionsvereinbarung festgehalten, dass in Zukunft „keine EU-Förderung für neue Atomkraftwerke“² erfolgen dürfe. Ausdrücklich weisen wir darauf hin, dass diese Vereinbarungen im Koalitionsvertrag bei weitem zu kurz greifen und fordern die Bundesregierung auf, sich innerhalb der EU für einen schnellstmöglichen Ausstieg aus der Atomenergie einzusetzen. Wir erwarten von der Bundesregierung jedoch, dass sie mindestens die im Koalitionsvertrag zugesicherte Revision des Euratom-Vertrages als einen Schwerpunkt der deutschen Ratspräsidentschaft voranbringt.

Der Euratom-Vertrag verhindert einen ökologischen Umbau der Energieerzeugungsstruktur in den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union und steht damit den Klimazielen von Paris diametral entgegen. Schon in der Präambel des Vertrages zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft wird als Ziel eindeutig festgeschrieben, „die Voraussetzungen für die Entwicklung einer mächtigen Kernindustrie zu schaffen“³
und die Atomenergie wird als „eine unentbehrliche Hilfsquelle für die Entwicklung und Belebung der Wirtschaft und für den
friedlichen Fortschritt“⁴ dargestellt. Jüngst wurde auf den Einwand Österreichs in seiner Klage gegen die massive Subventionierung des Baus des Atomreaktors Hinkley Point in Großbritannien vom Gerichtshof festgehalten, dass „weder die Vorschriften über staatliche Beihilfen noch der Euratom-Vertrag eine technische Innovation verlangen“⁵ und deshalb eine grundsätzliche Subventionierung des Baus neuer Atomkraftwerke durch die
Nationalstaaten mit den europäischen Verträgen vereinbar sei.

Auf die eindeutige Ausrichtung des Euratom-Vertrages wurde in der Entscheidung des Gerichtshofes der Europäischen Union zum geplanten neuen Atomkraftwerk in Hinkley Point ausdrücklich Bezug genommen. In der Pressemitteilung des Gerichtshofes wird darauf verwiesen, dass sich „das Ziel der Förderung der Kernenergie, insbesondere das Ziel der Schaffung von Anreizen für die Schaffung neuer Kapazitäten der Erzeugung von Kernenergie, mit dem Ziel der Euratom-Gemeinschaft, Investitionen im Bereich der Kernenergie zu erleichtern, deckt“⁶. Spätestens nach diesem Urteil muss die Bundesregierung handeln und eine Überarbeitung des EuratomVertrages in den EU-Gremien anstoßen und bei den anderen Mitgliedstaaten einfordern.

Die Forderung aus dem Koalitionsvertrag, wonach „Deutschland bei der Reaktorsicherheit in Europa dauerhaft Einfluss ausüben müsse – auch nach dem Ausstieg aus der nationalen Nutzung der Kernenergie“⁷ muss mit einer konkreten Ausstiegsforderung aus der Atomenergie verbunden werden. Auch die Forderung, „für umfassende Sicherheitsüberprüfungen“⁸ und „ambitionierte verbindliche Sicherheitsziele in der EU“⁹ einzutreten, ist sinnvoll und muss jedoch mit einer klaren Forderung nach einer schnellstmöglichen Abschaltung aller Atomkraftwerke und
Atomanlagen in den Mitgliedstaaten der EU verbunden werden.

Von der deutschen Bundesregierung erwarten wir während des Vorsitzes im Rat der Europäischen Union in der zweiten Jahreshälfte 2020, dass sie

> konkrete Vorschläge für die Auflösung oder Vertragsänderung des Euratom-Vertrages vorlegt, um die EU-weite Förderung der Atomkraft zu beenden

> innerhalb der nächsten 6 Monate eine Vertragsstaatenkonferenz einberuft, um die o.g. Auflösung oder Revision in die Wege zu leiten

> eine Verschärfung der Sicherheitsrichtlinie 2014/87/Euratom einleitet, nach welcher neue AKW – d.h. AKW, die 2020 oder danach in Betrieb genommen werden – in Zukunft das Sicherheitsniveau aktueller AKW erfüllen müssen (etwa EPR), statt wie bisher jenes von vor 30 Jahren, als deren Bauarbeiten begonnen wurden (etwa
Mochovce 3&4/Slowakei)

Darüber hinaus fordern wir die Bundesregierung auf:

> sich aktiv für die schnellstmögliche Abschaltung aller Atomkraftwerke in der EU einzusetzen

> sich für die Aufnahme eines neuen Artikels in die EU-Verträge einzusetzen, der ein Verbot des Baus von neuen
Atomkraftwerken in den Mitgliedstaaten der EU vertraglich festschreibt

1  Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD, Ein neuer Aufbruch für
Europa – Eine neue Dynamik für Deutschland – Ein neuer Zusammenhalt
für unser Land, 2018, S. 141
2  Ebd.
3  Ebd.
4  KONSOLIDIERTE FASSUNG DES VERTRAGS ZUR GRÜNDUNG DER EUROPÄISCHEN ATOMGEMEINSCHAFT, 2012/C 327/01
5  Ebd.
6  Gericht der Europäischen Union, PRESSEMITTEILUNG Nr. 104/18,
Luxemburg, den 12. Juli 2018
7  Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD, a.a.O., S. 141
8  Ebd.
9  Ebd.

Unterzeichner*innen des offenen Briefes nach Herkunft:

Deutschland:
.ausgestrahlt
Aachener Aktionsbündnis gegen Atomenergie
Aktionsbündnis Münsterland gegen Atomanlagen
Anti Atom Berlin
AntiAtomBonn
Anti-Atom-Bündnis Berlin Potsdam
Anti-Atom-Initiative Karlsruhe
Anti Atom Koordination Berlin
Antiatomplenumkoeln
Arbeitsgemeinschaft Schacht KONRAD e.V.
Arbeitskreis gegen Atomanlagen Frankfurt am Main
Arbeitskreis Umwelt (AKU) Gronau
Bayern Allianz für Atomausstieg und Klimaschutz
BISS e.V.
Brokdorf akut
BüfA Regensburg
Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND)
Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU)
Bündnis AgiEL
Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg
Elternverein Restrisiko Emsland e.V.
EWS Elektrizitätswerke Schönau eG
Greenpeace Energy eG
IPPNW Deutschland
Mütter gegen Atomkraft e.V.
NaturFreunde Deutschlands
Natur- und Umweltschutzverein Gronau (NUG)
Sayonara Nukes Berlin
Sofortiger Atomausstieg Münster
Stop Tihange Deutschland e.V.
Umweltinstitut München e.V.
urgewald
Wolfenbütteler Atom(undKohle)AusstiegsGruppe

 

Bulgarien:
Naturfreunde Bulgarien

Dänemark:
NOAH Friends of the Earth Denmark

Finnland:
Women Against Nuclear Power

Frankreich:
Réaction en chaîne humaine

Österreich:
atomstopp_atomkraftfrei leben!
GLOBAL 2000 – Friends of the Earth Austria
Mütter gegen Atomgefahr
Salzburger Plattform gegen Atomgefahren (PLAGE)
Wiener Plattform Atomkraftfrei

Polen:
Wspólna Ziemia‘ / Association ‚Common Earth‘

Schweiz:
SES Energiestiftung

Spanien:
Ecologistas en Acción
Grup de Científics I Tècnics per un Futur No Nuclear
Movimiento Iberico Antinuclear
Stop Uranio

länderübergreifend:
Don´t nuke the climate campaign
Friends of the Earth Europe
Nuclear Consulting Group

 

 

 

フクシマでの聖火リレー開始に向けて、IPPNWドイツ支部、ausgestrahlt、SNBの共同プレスリリース

Am Dienstag, den 24.03.2020, um 11:00 Uhr haben IPPNW Deutsche Sektion, .ausgestrahlt und Sayonara Nukes Berlin gemeinsam die Pressemitteilung (siehe unten) veröffentlicht, also bevor die Verschiebung der Olympischen Spiele 2020 bekannt gegeben worden ist.

Nach dem ursprünglichen Plan hätte der hier kritisierte Fackellauf am Donnerstag, den 26.03.2020, im J-Village unweit von dem havarierten AKW Fukushima Daiichi starten sollen.

Also müssen wir uns mit dem Thema leider noch ein ganzes Jahr lang beschäftigen! Die Olympischen Spiele 2020 sind schließlich NICHT wegen Fukushima (das noch nicht unter Kontrolle ist), sondern wegen dem Corona-Virus verschoben worden!

 

Pressemitteilung von IPPNW, ausgestrahlt und Sayonara Nukes Berlin
Olympia-Show in der Fukushima-Sperrzone
Kritik am Start des Olympischen Fackeltransports am 26. März

https://www.ippnw.de/presse/artikel/de/olympia-show-in-der-fukushima-sperrz.html

第6回 国際ウラン映画祭ベルリン2017

Sayonara Nukes Berlin war 2017 Kooperationspartner des International Uraniumfilmfestivals(IUFF) Berlin und hat für wichtige Dokumentarfilme aus Japan stark gemacht. Dieses Jahr wurden drei Filme aus unserer Empfehlung gezeigt mit deutschen Untertiteln, ein Dokumentarfilm von Tamotsu Matsubara “Leben mit verstrahlten Rindern” hat einen Preis bekommen. Hier ist der offizielle Bericht vom IUFF Berlin, den wir hiermit mit ihrer Erlaubnis veröffentlichen:

 

SNBはWerkstatt der Kulturenの解体決定に断固として反対します!

Sayonara Nukes Berlin unterstützt die WERKSTATT DER KULTUREN in ihrem Protest gegen die geplante Abschaffung!


 

Liebe Freund*innen der WERKSTATT DER KULTUREN,

einige langjährige Partner*innen, die für 2018 planen, wissen es bereits: der Senat hat überraschend, im Juni 2017, den im Jahre 1994 mit dem Verein „Brauerei Wissmannstrasse e.V – WERKSTATT DER KULTUREN“ geschlossenen Nutzungsvertrag für die ehemalige Brauerei in der Wissmannstrasse zum 31. Dezember 2017 gekündigt!

Wir sagen nein zur Abschaffung der WERKSTATT DER KULTUREN!

Seit ihrer Eröffnung vor über zwei Jahrzehnten, ist die WERKSTATT DER KULTUREN der Ort, nicht nur der Präsentation sondern auch der Repräsentation für die vielen Berliner*innen mit engen biographischen Bezügen zu unterschiedlichen Regionen und Kulturen der Welt – und damit auch zu unterschiedlichen kulturellen Milieus der Stadt.

In ihrer Funktion als Plattform für Kunst, Kultur und Aktion produziert diese einzigartige Kulturinstitution jährlich rund 450 Film-, Konzert-, und Wort-Veranstaltungen, die aktuelle kultur- und migrationspolitische Entwicklungen in den Blick nehmen – unter besonderer Berücksichtigung der Arbeiten von People of Color, Schwarzer Menschen, Angehörige kultureller Minderheiten und weiterer marginalisierter Gruppen.
Auf diese Weise, hat die WERKSTATT DER KULTUREN den gesellschaftlichen Megatrend von der relativ homogenen Gesellschaft des Nachkriegsdeutschland hin zu einer pluralistischen Bevölkerung sehr früh aufgegriffen und in ihrem Programm abgebildet. Lange war sie sogar die einzige Institution nicht nur Berlins, die die Vielfalt migrantischer und postkolonialer Kultur-, Kunst- und Aktionsformen zeigte und bis heute gibt es in Deutschland keine andere Einrichtung, die diesen Ansatz in einer ähnlichen Breite verfolgt.

Warum der Senat ausgerechnet das einzige Mehrspartenhaus für migrantische und postkoloniale Kunst-, Kultur-, und Aktion in Zeiten von steigendem Rechtspopulismus abschaffen will, bleibt vollkommen unverständlich! Um eine Begründung, haben wir mehrfach gebeten – ohne Erfolg. Wir möchten das nicht einfach hinnehmen!

Wenn Sie, wie wir, die Abschaffung der WERKSTATT DER KULTUREN ablehnen, dann richten Sie bitte eine entsprechende Protestmail an:

Elke Breitenbach (DIE LINKE), Senatorin für Integration, Arbeit und Soziales, Senatorin@senias.berlin.de sowie an
Dr. Klaus Lederer (DIE LINKE), Bürgermeister und Senator für Kultur und Europa, klaus.lederer@kultur.berlin.de.

Außerdem können Sie hier unsere Online-Petition „Nein zur Abschaffung der WERKSTATT DER KULTUREN unterzeichnen.

Per Hand können Sie von Dienstag bis Freitag zwischen 12h und 18h in unserem Sekretariat unterzeichnen.

Vielen Dank!

(Deutsch) Zwangsräumung des Anti-AKW-Camps in Tôkyô. Gedanken zu einer Nacht- und Nebelaktion/ Steffi Richter

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Han-genpatsu keisanshô-mae tento hiroba (kurz: Tento hiroba) in Tôkyô

Zwangsräumung des Anti-AKW-Camps in Tôkyô. Gedanken zu einer Nacht- und Nebelaktion

Steffi Richter

 

Anlässlich der ersten Wiederkehr des Tages, an dem Nordost-Japan von der Dreifachkatastrophe verheert wurde, erschien in der Online-Ausgabe von „The Wall Street Journal“ vom 10. März 2012 ein Artikel, der mit „March 11, One Year On: Occupy METI” betitelt war. Der Journalist Obe Mitsuru beschreibt darin eingangs eine Szenerie, in der auf einem kleinen Eckplatz direkt vor dem mächtigen Ministerium für Ökonomie, Handel und Industrie (METI) im Tôkyôter Regierungsbezirk  Kasumigaseki ein vergleichsweise „wackeliges Zelt“ steht, geschmückt mit bunten Bannern und Plakaten, auf denen Japans Ausstieg aus der Atomkraft gefordert wird. Mit einem „Welcome to ‘Occupy METI,’ Japan’s take on Occupy Wall Street“ (OWS) leitet Obe dann zum Hauptteil seines Artikels über. http://blogs.wsj.com/japanrealtime/2012/03/10/march-11-one-year-on-occupy-meti/

Nun, genau gesagt, sind es mittlerweile drei Zelte, die dort – gar nicht „wackelig“ – stehen; und auch das Gleichnis, ‚Occupy METI‘ sei eine Anlehnung an OWS, ist zumindest dahingehend zu präzisieren, dass mit dieser etwas später auftauchenden Bezeichnung zwar sehr wohl ein Bezug zu den New Yorker Ereignissen in Herbst 2011hergestellt worden ist. Die Belagerung des Platzes vor dem mit der Atomwirtschaft besonders eng verbundenen METI aber hatte bereits wenige Tage vor dem 17. September – dem Beginn von OWS –, am 11. September begonnen. An jenem Tag waren genau sechs Monate seit „3.11“ vergangen, weshalb verschiedene Protestaktionen in Tôkyô (aber auch in anderen Teilen des Landes) stattfanden: Eine Menschenkette sollte das METI einkreisen, was auch gelang; im Subzentrum Shinjuku war eine weitere Genpatsu Yamero-Demonstration („Schluss mit den AKW“) mit anschließender Kundgebung geplant, ca. 20.000 Menschen nahmen daran teil; und direkt vor dem METI traten vier junge Leute unter der Losung „Nachdenken über die Zukunft“ in Front vom METI in einen Hungerstreik. Sie waren extra aus Kaminoseki  (Präfektur Yamaguchi) angereist, wo gegenüber der Insel Iwaishima in der zu den schönsten Landschaften Japans gehörenden Inlandsee (Setonaikai) bereits seit Anfang der 1980er Jahre ein AKW errichtet werden soll, was lokale Atomkraftgegner lange Zeit verhindern konnten. Als dann Anfang 2011 mit Aufschüttungsarbeiten begonnen worden war, ereignete sich jedoch die AKW-Erdbeben-Katastrophe von Fukushima Daiichi, woraufhin das Vorhaben erneut auf Eis gelegt wurde. Vom Tisch ist der geplante Bau allerdings bis heute nicht, zumal laut Energieplan der jetzigen nationalkonservativen LDPJ-Regierung unter Abe Shinzô Atomstrom auch in Zukunft eine „Grundlastenergiequelle“ bilden soll (20-21% bis 2030).

Fuchigami Tarô渕上太郎(*1942) erinnert sich (vgl. in Oguma 2013: S. 79-82), dass ihm und einigen anderen Teilnehmern der Menschenkette plötzlich die Idee gekommen sei, doch nicht einfach wieder auseinanderzulaufen, sondern dass es eines realen Raumes bedürfe, um der Anti-AKW-Bewegung zu mehr Kontinuität zu verhelfen. So sei noch am gleichen Abend – auf besagtem Eckplatz – ein erstes, sechs tsubo (reichlich 18m²) großes Zelt errichtet worden, in Nachbarschaft zu den vier jungen Leuten, die sie als eine Art Enkelgeneration wahrgenommen hätten. Letztere haben insgesamt 10 Tage, bis zum 19. September, ausgeharrt, während die wesentlich älteren „Zeltleute“ – unter ihnen auch (wie Fuchigami) ehemalige Kämpfer gegen den Sicherheitsvertrag mit den USA, deren durchaus auch radikale politische und soziale Protesterfahrungen bis in die 1960er und 1970er Jahre zurückreichen – nach einigen Beratungen sowie Verhandlungen mit Beamten des METI beschlossen haben zu bleiben . Sie  stellten einen Antrag auf Erlaubnis der Nutzung des staatlichen Bodens. „Auf diese Weise wurde der Zeltplatz vor dem METI in Kasumigaseki , mitten in der Hauptstadt – eben dort, wo sich alle Ministerien und Behörden dicht aneinanderreihen – zu einer Willenserklärung des Protestes gegen die Befürworter von Atomkraft, also gegen TEPCO als Verursacher der Havarie im AKW Fukushima Daiichi und gegen den Staat in Gestalt des METI.“ (80) Einen guten „Rundumblick“ über das Areal, in dem Tento hiroba liegt – eine vielbefahrene und sonst vor allem von Beamten und Geschäftsleuten frequentierte Straßenkreuzung – bietet die folgende knapp eineinhalbminütige Videosequenz von „Voicesofprotest“ aus YouTube: https://www.youtube.com/watch?v=WcMag_O45Tc ). Der offizielle Name des Camps lautet seither  Datsu/Han-genpatsu keisanshô-mae tento hiroba (kurz: Tento hiroba): „Zeltplatz vor dem METI gegen AKW/für den Ausstieg aus der Atomkraft“.

In wenigen Tagen wäre dort der bereits in Vorbereitung befundene 5. Jahrestag begangen worden – wenn nicht in einer Nacht- und Nebelaktion der Polizei und staatlicher Behörden in den Morgenstunden des 21. August 2016 in nicht einmal zwei Stunden das Lager geräumt und damit der weltweit längsten „Occupy“-Aktion ein Ende bereitet worden wäre. Es war diese der 1807. Tag seit Beginn der Besetzung, ein Tag, an dem sich, wie einer meiner Studenten in Erfahrung bringen konnte, einige der Aktivisten in Fukushima aufhielten, um dort an verschiedenen Veranstaltungen teilzunehmen – was darauf hindeutet, dass die Planer der Räumung über die Aktionen der (vermutlich rund um die Uhr beobachteten) Zeltbewohner Bescheid wussten. Und es war auch der Abschlusstag der Olympischen Spiele in Rio, an dem die ohnehin große Aufmerksamkeit der Bevölkerung und der Massenmedien sich Stunden später noch einmal auf einen besonderen Höhepunkt richten wird: auf die Abschlussveranstaltung, bei der nicht nur die Olympische Flagge an Koike Yuriko überreicht wird, also an die gerade neu gewählte Gouverneurin von Tôkyô, dem Austragungsort der 2020er Spiele. Es wird auch Premier Abe Shinzô auftauchen, der als „Superma-Rio“ verkleidet ist und – vom Kasumigaseki-Regierungsviertel kommend – via Subzentrum Shibuya durchs Erdinnere mitten ins Maracana-Stadium gebeamt wird. Dort hält er einen roten Ball in der Hand, den er nach einer furiosen Laser-und Tanzshow in die Hände japanischer Olympiateilnehmer legt und mit ihnen gemeinsam ruft: „See you in Tôkyô!“. Ein Gruß, der als Schriftzug auch in der Spielfeldmitte  erscheint, darüber die illuminierte Silhouette der Megalopolis mit dem „heiligen“ Weltkulturerbe Fuji-san, dem Fuji-Berg, im Hintergrund (leider ist diese YouTube-Videosequenz aus urheberrechtlichen Gründen nicht mehr abrufbar).

Doch lange bevor dieser Gruß aus dem virtuellen Tôkyô auch über die Bildschirme japanischer Zuschauer flimmerte, waren – ebenfalls dank Hightech und der Neuen Medien – bereits erste Protestaktionen gegen die sehr reale Zwangsräumung im realen Tôkyô im Gange, auch wenn diese sich von der Zahl der Teilnehmer in Grenzen hielten. „Ein Gefühl tiefer Enttäuschung, des Verlustes geht einher mit stillem Zorn. Der Gedanke, etwas Unersetzbares verloren zu haben, Trauer, die wohl nicht so schnell verschwinden, nicht zu trösten sein wird, und von der ich auch nicht möchte, dass sie verschwindet. Ich schaue auf die kalt und hoffnungslos aussehenden Mauern der Macht, und möchte doch diesen Anblick nicht vergessen. Das bleibt als Erinnerung tief in mir erhalten, war  vielleicht der Sinn für mich als Mitorganisator der Zelte.“ Das sind erste Reflexionen des Publizisten (und ebenfalls ehemaligen studentischen Aktivisten der 1960er/70er) Mikami Osamu三上治 (*1941), die er an den Tagen 1 und 2 nach den 1807 Tagen im „Zelt-Tagebuch“ (Tento nikki, vgl. hier: http://tentohiroba.tumblr.com/ ) niederschreibt. Ja – das ist die neue Zählung von Aktivisten wie Mikami, die von Beginn an dabei waren – und deren Sicht ist es vor allem, die ich in diesem kleinen Text referiere. Wurde also vom 11.9.2011 an die Zeit in Tagen gemessen, die das Lager bestand (und zwischendurch auch in Tagen, an denen ganz Japan atomstromfrei ist und war) , so wird nun in „Tagen danach“ gezählt. Und es sind keineswegs nur solch verhalten-nachdenkliche, in die vergangenen knapp fünf Jahre zurückschauenden Einträge, die das Tagebuch nun bestimmen, sondern schon wird zu den nächsten Aktionen aufgerufen, die an das, was bisher geleistet wurde, unmittelbar anknüpfen. So wird am „Tag 5 danach2 (26.8.2016) davon berichtet, was seit dem Tag 1807 (bzw. 1 danach) eben dort passiert, wo bislang die Zelte gestanden haben, nun aber eine mit grünen Blättern bemalte Absperrung errichtet wurde: Sit-ins, Gesprächsrunden im Stehen, Ansprachen von den Zelt-Aktivisten selbst (von denen einer den originellen Gedanken äußert, dass die Zelte zwar beseitigt wurden, die AKW ja aber noch nicht, weshalb nun wohl nichts anderes übrig bleibe, als dass jede, jeder einzelne nun selbst zum Zelt werden und bleiben müsse), aber auch Beiträge von Leuten, die  „Occupy METI“ in der einen oder anderen Weise unterstützt haben. Auch der Bauer Yoshizawa Masami吉沢正巳 (*1954) kommt aus seiner nur 14 km vom havarierten AKW Fukushima Daiichi entfernt in der  „No go-Zone“ gelegenen „Farm der Hoffnung Fukushima“ (Kibô no bokujô Fukushima) angereist, wo er auch nach „3.11“ mit seinen etwa 300 kontaminierten Rindern lebt und sich weigert, die Tiere notschlachten zu lassen, wie die Regierung es ganz nach dem Motto „Was stinkt – Deckel drauf“ per Dekret eigentlich verordnet hatte (vgl. auch Richter 2013: 407-411). Ausführlich – in Form von Live-Video-Mitschnitten – informiert über diese Aktivitäten das unabhängige und alternative Live-Stream-Medium „Independent Web Journal“ (IWJ) von Iwakami Yasumi岩上安身 (*1959) und seinem Team, das am 21.8. ab etwa 9 Uhr vor Ort filmte; siehe hier: http://iwj.co.jp/wj/open/archives/326652 ; http://iwj.co.jp/wj/open/archives/326859 . In einer auf YouTube auch einzeln zugänglichen Sequenz der IWJ-Dokumentation (https://www.youtube.com/watch?v=gQ_ISk8jWr8) kann man Yoshizawa auf seiner „Nostalgie-Kuh“ (bôkyô no ushi) sitzen sehen – eine drahtige Skulptur, die er von der Künstlerin Tomotari Mikako (*1965) 2012 geschenkt bekommen hatte und mit der er seither an Anti-AKW-Demonstrationen auch in Tôkyô teilnimmt, stets mit einem Abstecher zum „Occupy METI“.

Umringt von zahlreichen Polizisten, versucht Yoshizawa die im doppelten Sinne aufgeheizte Atmosphäre zu beruhigen, bevor er von seiner „Nostalgie-Kuh“ heruntergezerrt wird. Später von einem IWJ-Mitarbeiter interviewt, erzählt er, dass er natürlich am kommenden 11. September am (bereits vor dem 21.8.) geplanten „AKW-Ausstiegs-Wut-Festival“ (Datsu-genpatsu 9.11. ikari no festibaru) partizipieren werde, dafür habe er jetzt auch seine Kuh mitgebracht, die er dann in einen Mikoshi – einen tragbaren Schrein – verwandeln und mit ihr durch die Straßen prozessieren werde. Und im Hintergrund hört man ein knarzendes Saxophon, auf dem der auch als Punk- Rocker und DJ bekannte Kamuro Tetsu (alias Kaenbin (=Molotov) Tetsu, der auch die oben erwähnte Zelt-Idee äußerte http://fukusimatotomoni.blog.fc2.com/ ) „We shall overcome“ spielt.

Mit diesen wenigen Impressionen soll gezeigt werden: Die Aktionen gehen weiter, und zwar in der Weise, die auch bisher prägend gewesen war. Der schon mehrfach erwähnte Zorn (ikari) ging und geht stets auch mit einer Prise Humor einher; es wurde und wird diskutiert, gestritten, musiziert. Im Laufe der knapp fünf Jahre wurde zudem gemeinsam gekocht und gegessen, auch getanzt, geweint, getrauert – um verstorbene Aktivisten und Aktivistinnen. Mikami  Osamu fasste, als das Zeltlager 500 Tage alt wurde, das Leben dort in seinem Bericht „Fast zwei Jahre: Der Zeltplatz an der Ecke vor dem METI (3)“ (Keisanshô no ikkaku ni datsu-genpatsu tetnto sonzoku shiteiru (3)) folgendermaßen zusammen. „Viele Leute kommen her, um sich auszutauschen, treffen sich hier. Auch Versammlungen finden häufig statt, und traditionelle Tänze wie der „Kansho odori“ werden aufgeführt. Auch unschöne Dinge geschehen. Mal herrscht eintöniger Alltag, dann wieder passiert etwas und bringt alles durcheinander. Hier ist ein wirklich unbeschreiblicher Raum (Platz) entstanden … Mag sein, dass das nichts als unsere Sehnsüchte sind, doch ich jedenfalls empfinde es so.“ http://www.alter-magazine.jp/index.php?%E7%B5%8C%E7%94%A3%E7%9C%81%E3%81%AE%E4%B8%80%E8%A7%92%E3%81%AB%E8%84%B1%E5%8E%9F%E7%99%BA%E3%83%86%E3%83%B3%E3%83%88%E3%81%AF%E5%AD%98%E7%B6%9A%E3%81%97%E3%81%A6%E3%81%84%E3%82%8B%EF%BC%883%EF%BC%89 .

Zu den unschönen Dingen gehören sicher die Provokationen von rechtsextrem-nationalistischen und AKW befürwortenden Kräften, die mit ihren schwarzen, mit Mega-Lautsprechern bestückten Autos immer mal wieder aufkreuzen und Drohungen ausstoßen (zuletzt am 14.8., worüber auch IWJ berichtete, vgl. hier: http://iwj.co.jp/wj/open/archives/325531 ), zuweilen auch handgreiflich werden würden, würde nicht die Polizei zwischen beide Fronten gehen.  Und sicher gehört auch die gerichtliche Klage dazu, die die staatliche Behörde gegen zwei der „Okkupanten“ (neben Fuchigami auch gegen Masakiyo Taichi 正清太 (*1938) erstmals Ende März 2013 erhoben hat. Auch jetzt stehen noch und wieder jene Schilder vor der errichteten Absperrung, auf denen zu lesen ist: „Staatseigenes Land. Betreten für Unbefugte verboten“ (Kokuyûchi – kankeisha igai tachiiri kinshi). Da die Aktivisten als Unbefugte gelten (das heißt, ihrem Antrag auf Nutzungserlaubnis wurde nie stattgegeben) haben sie dieses Verbot verletzt und müssen sich wegen widerrechtlicher Besetzung staatlichen Landes vor dem Obergericht Tôkyô juristisch verantworten – die Räumung des Platzes wird gefordert und eine Schadenssumme in Höhe von ca. 33 Mio. Yen (= knapp 290.000 Euro; pro Tag 21.917 Yen = 292 Euro). Unterstützt von zahlreichen Rechtsanwälten wehren sich die Angeklagten natürlich gegen diese Vorwürfe und führen immer wieder die Gründe an, mit denen sie ihr widerständiges Handeln rechtfertigen. Denn was heißt schon „unbefugt“? Mit ihren Aktionen wollen sie auf das unverantwortliche Handeln des Fukushima Daiichi-AKW-Betreibers TEPCO wie auch des Staates/METI im Gefolge des Supergaus aufmerksam machen. Tento hiroba sei zu einem Ort geworden, an dem sich all jene treffen können, die den Ausstieg aus der Atomkraft verwirklichen wollen; ein Ort, an dem die Gedanken und Empfindungen der Menschen zusammenkommen, die aufgrund der Havarie haben fliehen müssen und die es in alle Winde zerstreut hat; ein Ort, der einer nach Tôkyô evakuierten Frau aus Fukushima zur „zweiten Heimat“ geworden sei – so ist es zu lesen auf der Homepage http://tentohiroba-saiban.info/ , die Materialien und Informationen über den laufenden Prozess und den Widerstand dagegen bereitstellt.

In der Tat ist der „Zeltplatz“, ist „Occupy METI“ seit dem 11. September 2011 zu einem zentralen Ort, zu einem Knotenpunkt der Anti-AKW-Proteste geworden, die bereits seit April des gleichen Jahres anschwellten und seither andauern. Über sie berichtet der Dokumentarfilm „Tell the Prime Minister“ des japanischen Soziologen Oguma Eiji小熊英二 (*1962) – mittlerweile selbst Aktivist –, der zu Beginn des Jahres 2016 auch in verschiedenen deutschen und europäischen Städten zu sehen war (vgl. auch das von Oguma 2013 auf Japanisch herausgegebene Buch „Leute, die die AKW stoppen. Von 3.11 bis zu den Protesten vor der Residenz des Premiers“, das auch Fuchigamis obigen Bericht enthält). Zu einem solchen rebellischen Raum konnte er sich dank des Zusammenwirkens der folgenden drei Momente konstituieren

  1. Die Präsenz und die verschiedenen Aktivitäten der „Okkupanten“ selbst, die sich in ihrer Anwesenheit einander abwechselten und so dafür sorgten, dass die Zelte stets, Tag und Nacht, bei Hitze und Kälte, während Taifunen und Erdbeben, besetzt waren: zunächst Zelt 1, seit Ende 2012 Zelt 2 als das „Atomkraft, nein danke!-Frauenzelt: an der Seite von Fukushima“, und 2013 kam ein drittes hinzu.
  2. Von ebenso großer Bedeutung sind die vielen in- und ausländischen Besucher der Zelte, die an diesem Ort aus unterschiedlichen Motiven zusammenkamen und mit ihren sehr verschiedenen Ideen, Aktivitäten und (finanziellen, logistischen, Ess- und Trinkwaren-) Unterstützungen dessen Langlebigkeit überhaupt erst ermöglichten. Am lebendigsten war, ist, und wird es wohl sein an den Freitagen, an denen viele Teilnehmer ´vor oder nach dem „Freitagsprotest vor dem Amtssitz des Premierministers“ (Kinyôbi kantei-mae kôgi) einen Abstecher auch zum nahegelegenen Zeltplatz machen. Diese Protestaktion fand erstmals am 29. März 2012 und dann seit dem 6. April freitags zwischen 18 Uhr und 20 Uhr statt, seither Woche für Woche um die gleiche Zeit – über die Zahl der Teilnehmer gibt die eine Homepage Auskunft, die von den Organisatoren Metropolitan Coalition Against Nukes  betrieben wird: http://coalitionagainstnukes.jp/?p=6199 ). Auch die künstlerische Komponente ist zu erwähnen, die zur Anziehungskraft des Platzes beitrug. So verwandelten die Frauen von Zelt 2 ihr Domizil Anfang Dezember 2015 zugleich in ein „Anti-nuclear Tent Museum“ (Han-genpatsu bijutsukan)  um, in dem schon wenige Tage später, am 19. Dezember, ein „Anti-Atom(bombe wie auch –kraftwerk)-Holzschnitt-Workshop“ veranstaltet wurde, organisiert und durchgeführt vom “A3BCollective/ Anti-War, Anti-Nuclear and Arts of Block-print Collective”, Illcommonz, Misato Yugi und anderen Künstlern. Die dabei entstandenen Werke wie auch alle anderen Artefakte des Museumsbestandes wurden am 21.8. ebenfalls von den Räumungsvollstreckern mitgenommen und einer Zwischenlager-Firma übergeben. Werden die Dinge innerhalb eines Monats nicht abgeholt, würden sie versteigert – meldet die Facebook-Seite des Museums am 27.8. (10:35 https://www.facebook.com/antinuketent2015/ );
  3. Neben diesen beiden Formen der „physischen“ Präsenz spielt zudem die mediale Präsenz von Tento hiroba eine zentrale Rolle. Das Internet-(online-)Tagebuch wurde bereits erwähnt, hinzuzufügen ist vor allem auch der TV-Sender Aozora („Blauer Himmel“), der wesentlich von der Journalistin Matsumoto Chie 松本ちえgeprägt wurde. Wie vom Namen angedeutet, geht dieses Livestream-Fernsehen „unter freiem Himmel“ über den Äther – erstmals am 14. September 2012 und dann über Monate hinweg (fast) jeden Freitag ab 16 Uhr. Das ermöglichte Interessenten in Japan wie auch außerhalb, live vom Zeltplatz aus über aktuelle und / oder länger laufende Anti-AKW-Aktivitäten im ganzen Land informiert zu werden und Hintergrundwissen dazu zu erfahren – je nachdem, wer vor die Kamera geladen war und berichtete. Und wie die spontanen Protestaktionen unmittelbar nach der Zwangsräumung am 21.8. zeigen, sind natürlich auch die sozialen Netzwerke wie Twitter, Facebook oder Mixi unverzichtbar für die Alltagskommunikation und damit den Bestand dieses umkämpften Raumes mitten im Regierungsviertel.

Ich fasse einstweilen zusammen – mit dem wohl überflüssigen Hinweis darauf, dass eine Analyse des Tento hiroba in seiner zeitlichen Gesamtheit, seiner Bedeutungsvielfalt, einschließlich der eben erwähnten medialen Quellen (unter denen das Tagebuch wohl die größte Herausforderung bildet), aussteht. Eine Analyse, die aber zweifellos eine lohnenswerte und notwendige Aufgabe darstellt, denn die Aktivitäten des „Frauenzeltes“ etwa wurden hier noch gar nicht berührt bzw. in den Blick genommen:

Vor knapp 50 (1967) Jahren erschien Henri Lefebvres inzwischen zum Klassiker gewordene Schrift „Recht auf Stadt“. Es war dies eine Zeit, in der Leute wie Mikami, Fuchigami oder Masakami mit Helmen und Knüppeln auf die Straße zogen und sich dort sowie in den Universitäten verbarrikadierten, um sich vor der Bereitschaftspolizei zu schützen; in der sie sich in den Dienst des proletarisch-antikapitalistischen Kampfes verschiedener radikaler Organisationen stellten. Auch darüber reflektieren sie im Tento hiroba-Tagebuch, diskutieren sie untereinander und mit Besuchern. Tento hiroba ist ein Forum, ein Ort, an dem Demokratie verteidigt und der Stimme „des Volkes“ Raum gegeben werden soll. Es geht, so Fuchigami, auch um die Verteidigung des Artikels 12 der japanischen Verfassung, der da lautet: „Das Volk wird unablässig bestrebt sein, die durch diese Verfassung garantierten Rechte und Freiheiten aufrechtzuerhalten. Es wird sich jeden Mißbrauchs dieser Rechte und Freiheiten enthalten und immer dafür verantwortlich sein, daß sie im Interesse des öffentlichen Wohles wahrgenommen werden.“ Fuchigami fährt fort: „Die Zelte zu errichten und den Willen zum Protest Ausdruck zu geben, eben das ist unserer Meinung nach unablässiges Bestreben des Volkes, Recht und Freiheit aufrechtzuerhalten.“ (81). Dafür einen zentralen Ort, einen Raum zu konstituieren, wo den verschiedenen Forderungen der AKW-Gegner immer wieder Gehör verschafft wird, ist auch eine wichtige Praktik, Recht auf Stadt und ein gutes Leben darin zu beanspruchen. Möge es auch weiterhin – ganz im Sinne von Kamuro Tetsu – viele Zelte geben.

Literatur:

Fuchigami, Tarô: „Keisanshô-mae tento wa gôhôsei o mezasu“. [Die Zelte vor dem METI streben nach Legalität]. In: Oguma Eiji (Hg.): Genpatsu o tomeru hitobito – 3.11 kara kantei mae made [Leute, die die AKW stoppen. Von 3.11 bis zu den Protesten vor dem Amtssitz des Premiers]. Tôkyô: Bungeishunjû, 2013, S. 79-82.

Richter, Steffi: „‘Fukushima‘. Wissen er/fahren: Vor Ort“. In: Gebhardt, Lisette/Richter, Steffi (Hg.): Lesebuch „Fukushima“. Übersetzungen, Kommentare, Essays. Berlin: EB-Verlag Dr. Brandt, 2013, S. 400-421.

(Mit Erlaubnis der Autorin etwas gekürzte Fassung)