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福島原発のトリチウム、何が問題か 河田昌東(2021年4月12日)

Warum jetzt Tritium?

Im April diesen Jahres (2021) erteilte die japanische Regierung dem Energiekonzern TEPCO, Betreiber des havarierten Atomkraftwerkes Fukushima Daiichi, die Erlaubnis, künftig radioaktiv kontaminiertes Wasser in den Pazifik ablassen zu dürfen. Mehr als eine Million Tonnen solchen Wassers lagern bereits in über 1000 Tanks, und täglich kommen etwa 140 Tonnen hinzu – vor allem, weil der geschmolzene Brennstoff in drei explodierten Reaktoren nach wie vor gekühlt werden muss. Zwar wird dieses Wasser behandelt und von Cäsium 137 oder Strontium-90 bereinigt, nicht aber vom Tritium, einem Wasserstoff-Isotop, das auch als “weicher Beta-Strahler” gilt.

Die Entscheidung sorgt seither nicht nur in Japan selbst, sondern auch in den Anrainerstaaten – besonders in Südkorea und China – für heftigen Protest. Aber auch unter Experten wird gestritten: Während die einen beschwichtigen, Tritium sein in geringen Mengen nicht gefährlich und die von TEPCO beabsichtigte Verdünnung des tritiumhaltigen Wassers vor der Einleitung ins Meer entspreche internationalen Standards, warnen die Gegner vor dieser Maßnahme. „Das Wasser in den Ozean zu leiten, stellt ein unverantwortliches ökologisches und gesundheitliches Risiko dar. Selbst wenn die Filtersysteme irgendwann so arbeiten sollten, wie TEPCO behauptet, enthält das verseuchte Wasser immer noch das gesundheitsgefährdende Tritium“, äußert sich etwa Dr. Alex Rosen, Kinderarzt und Vorstandsmitglied der Organisation “Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges” (IPPNW /
https://www.ippnw.de/startseite/artikel/de/ippnw-mahnt-vor-verklappung-von-radi.html ). Ähnlich argumentiert auch der Autor des folgenden Artikels, der Molekularbiologe Masaharu Kawata, zugleich ein Umweltaktivist, der u.a. die “Association to Help Chernobyl” mitbegründet hat.


Tritium in Fukushima — was ist das Problem?

Masaharu Kawata (12. April 2021)

(ins Deutsche übersetzt von Steffi Richter)

Nach wie vor tritt aus dem AKW Fukushima Daiichi radioaktiv kontaminiertes Wassers aus, und es scheint, als ließe sich dieses Problem auch künftig nicht so leicht lösen. Das liegt vor allem am Tritium. Noch heute, zehn Jahre nach dem Unfall, werden immer noch täglich 140 Tonnen Kühlwasser in die Reaktorkerne gepumpt, um den geschmolzenen Brennstoff zu kühlen, und das Wasser ist immer noch kontaminiert. Angaben von TEPCO zufolge wurden zwischen Mai 2011 und Juli 2013 etwa 20 bis 40 Billionen (20 bis 40 x 1012) Becquerel (Bq) Tritium freigesetzt. Dabei seien das unmittelbar nach dem Unfall abgeflossene hochgradig kontaminierte Wasser und das Tritium im von TEPCO vorsätzlich abgelassenen kontaminierten Wasser nicht mit berücksichtigt worden. Hinzu komme, dass zwar Cäsium und andere im kontaminierten Wasser enthaltene radioaktive Elemente mit dem ALPS-Verfahren (Advanced Radionuclide Processing System) entfernt werden können, Tritium aber sich mit diesem System nicht herausfiltern lasse. Daher würden bereits 1,2 Millionen Tonnen mit ALPS behandeltes, aber tritiumhaltiges Wasser in 1.200 Tanks lagern, doch gebe es nun nicht mehr genügend Platz auf dem Gelände, und die Stilllegungsarbeiten würden behindert. TEPCO, die Atomaufsichtsbehörde und selbst die IAEO bestehen darauf, das Wasser mit Meerwasser zu verdünnen und es abzulassen, und die Regierung beschloss am 13. April 2021, das tritiumhaltige Wasser künftig ins Meer zu leiten, dabei die Stimmen der Bevölkerung der Präfektur von Fukushima, der Fischereiverbände und des ganzen Landes ignorierend.

Worin also besteht das Problem, das tritiumhaltige Wasser ins Meer abzulassen?

 

(1) Was ist Tritium?

Tritium (chem. Zeichen T, „dreifach schwerer Wasserstoff“) hat die gleichen chemischen Eigenschaften wie Wasserstoff (H). Wasserstoff ist das kleinste stabile Element mit einem Proton (P) und einem Elektron (e) in seinem Kern. Tritium enthält in seinem Kern außer einem Proton noch zwei Neutronen (1P2N) und ist instabil, so dass eines der Neutronen ein Elektron abgibt, das sich in ein Proton verwandelt; es stabilisiert sich dann zu einem neuen Element (Helium He) mit zwei Protonen und einem Neutron in seinem Kern (2P1N). Die dabei emittierten Elektronen sind Beta-Strahlung. Die Halbwertszeit von Tritium beträgt 12,3 Jahre. Im Reaktor entsteht Tritium dadurch, dass Neutronen in den Deuteriumkern (D) von in kleinsten Mengen im Kühlwasser (H₂O) enthaltenem schwerem Wasser (H-O-D) aufgenommen werden, oder auch durch Auflösen eines als unreines Lithium-6 bezeichneten Materials. Solange also die Reaktoren gekühlt werden, wird auch weiterhin neues Tritium produziert. Andererseits gibt es Tritium auch in der uns umgebenden Lebenswelt. Aufgrund der einstigen Atomtests und der kosmischen Strahlung ist im Wasser auf der Erde Tritium in einer Größenordnung von 1-2 Bq/L enthalten.

 

(2) Warum kann Tritium nicht entfernt werden?

Der Regierung, TEPCO oder auch der Atomaufsichtsbehörde zufolge kann tritiumhaltiges Wasser nicht behandelt werden und muss daher ins Meer abgelassen werden. Warum kann es nicht behandelt werden? Weil es die gleichen chemischen Eigenschaften wie Wasserstoff besitzt, und Tritium (T) enthaltendes Wasser (T-O-H) von gewöhnlichem Wasser (H-O-H) nicht unterschieden werden kann. Das Entfernen vieler radioaktiver Stoffe wie Cäsium-137 und Strontium-90 erfolgt durch Adsorption oder Filtration unter Ausnutzung der chemischen Eigenschaften des jeweiligen Elements. Diese chemischen Methoden können jedoch nicht zwischen normalem Wasser und tritiumhaltigem Wasser unterscheiden und es daher auch nicht beseitigen. Daher werden in mit Siedewasserreaktoren betriebenen AKW jährlich 20 Billionen Bq (20 x 1012) Tritium produziert, was fast dem Normwert von 22 Billionen Bq (22 x 1012) entspricht, der pro Jahr ins Meer abgelassen werden darf (bei einer Konzentration von 60000 Bq/L). Nebenbei bemerkt: Würde die Wiederaufbereitungsanlage Rokkasho in der Präfektur Aomori normal in Betrieb genommen werden, so ist eine jährliche Abgabe von 1.9 Billiarden Bq (1,9 x 1015) in die Luft und von 18 Billiarden Bq (1,8 x 1016) ins Meer vorgesehen. Praktisch existiert keinerlei Normwert für die Freisetzung von Tritium, es handelt sich um ein nachträgliches Anerkennen dessen, was real geschieht, also beim Betreiben eines AKW notwendigerweise entsteht. Auch das ist einer der Gründe, warum keine Atomkraftwerke betrieben werden sollten.

 

  • Was ist problematisch an Tritium?

Wie gewöhnliches Wasser, so gelangt auch Tritium enthaltendes Wasser oral, über die Atmung und über die Haut in den Körper. Und auch im Körperinneren ist es – wie normales Wasser – über das Blut an verschiedenen Stoffwechselreaktionen in den Zellen beteiligt und dringt anstelle von Wasserstoff in Eiweißstoffe und Gene (DNA) als deren Bestandteil ein. Ist es im Körper als Wasser vorhanden, wird es von neu eindringendem Wasser substituiert und ausgeschieden (biologische Halbwertszeit: 12 Tage). Das als Bestandteil eines solchen intrazellulären Organismus aufgenommene Tritium aber lässt sich nicht so leicht verstoffwechseln und verbleibt so lange, bis seine Moleküle zu Wasser abgebaut worden sind (der Strahlenbiologin Rosalie Bertell zufolge länger als 15 Jahre) und sendet fortwährend Beta-Strahlen aus (1). Junge Zellen, die sich schnell teilen, nehmen mehr Tritium als ihre Komponenten auf. Das in die organische Substanz des Körpers eingebundene Tritium wird als OBT (Organic Bound Tritium) bezeichnet und ist von der Radioaktivität etwa des Cäsiums zu unterscheiden, das einfach als ein Element im Körper strahlt, allerdings wird dieser Punkt von der Internationalen Strahlenschutzkommission (ICRP) unterschätzt. Die Energie der von Tritium emittierten Beta-Strahlen ist sehr gering, so dass eine äußere Exposition kaum ein Problem darstellt. Werden sie aber in körperinnere Komponenten aufgenommen, so verursachen alle Beta-Strahlen eine innere Verstrahlung.

 

(4) Das Problem des in die DNA eingebauten Tritiums

Mittels tritiumhaltigem Wasser bindet Tritium sich an Sauerstoff-, Kohlenstoff-, Stickstoff- und Phosphoratome in der DNA und verhält sich chemisch wie ein normales Wasserstoffatom. Doch setzt es mit seiner Halbwertszeit Elektronen (Beta-Strahlen) frei, sorgt in der Umgebung für innere Verstrahlung und zerstört verschiedene Moleküle. Aber nicht nur das. Zerfällt Tritium und wird zum Heliumatom, werden die chemischen Bindungen (kovalenten Bindungen) zwischen Tritium und den Kohlenstoff-, Sauerstoff-, Stickstoff- und Phosphoratomen getrennt. Denn Helium ist das stabilste unter allen Elementen, es kann mit keinem anderen Element eine Verbindung eingehen. Infolgedessen werden die Kohlenstoff-, Sauerstoff-, Stickstoff- und Phosphoratome, aus denen die DNA besteht, instabil, und es kommt zur Trennung der chemischen Verbindungen in der DNA. Tritium bewirkt also nicht nur eine Beta-Strahlen-Exposition bei seinem Zerfall, sondern führt auch zur Zerstörung von Molekülen, d.h. zu einem Zerfall der Elemente, aus denen sie bestehen, was sich von seiner Dimension her von Strahlen-Exposition durch gewöhnliche radioaktive Stoffe unterscheidet. Die so genannte Strahlen-Exposition ist ein stochastisches Phänomen, die Zerstörung der DNA hingegen ist ein mit dem Zerfall von Tritium unvermeidlich einhergehendes Phänomen (1).

 

  • Was bei Tritiumkontamination passiert

Seit Beginn der Atomtests in den 1950er Jahren werden zahlreiche Studien über die biologischen Auswirkungen von Tritium erhoben. Am bekanntesten sind Anomalien wie Abspaltungen in Chromosomen. Bei Experimenten mit Tritium ausgesetzten menschlichen Lymphozyten beginnen Chromosomenaberrationen bei 3700 Bq/ml, und bei 3,7 Millionen Bq/ml kommt es in fast allen Zellen zu Chromosom-Abspaltungen. Wird Tritium zur Substitution von Wasserstoff in Thymidin, einem Bestandteil der DNA, verwendet, so beginnen Chromosomenaberrationen bei etwa 37 Bq/ml, und bei einer Konzentration von 190.000 Bq/ml entwickeln 100% der Zellen Chromosomenaberrationen (2). Auch an lebendigen Körpern wurde zahlreich geforscht und nachgewiesen, dass Chromosomenaberrationen (Mutationen) zu gesundheitlichen Problemen wie tödlichem Krebs führen. Besonders problematisch sind Auswirkungen auf den Fötus im Mutterleib. Da die Plazenta Tritium nicht von normalem Wasser unterscheiden kann, gelangt tritiumhaltiges Wasser in den Fötus und wird von sich rasch teilenden Zellen aufgenommen. Das führt zu fötalen Anomalien wie Totgeburten, Frühgeburten, Fehlgeburten und verschiedenen anderen Geburtsfehlern. Einer Studie von T. Straume et al. (3) am Lawrence Livermore National Nuclear Laboratory in Kalifornien zufolge ist die Wahrscheinlichkeit einer Teratogenität durch Tritium sechsmal höher als die einer tödlichen Krebserkrankung. Der Ontariosee in Kanada ist bekanntermaßen durch große Mengen an Tritium aus den Kanada-spezifischen Schwerwasserreaktoren kontaminiert. Infolgedessen wurde in deren Umgebung zwischen 1978 und 1985 ein Anstieg von Geburtsfehlern und Fehlgeburten ebenso festgestellt wie ein 1,8-facher Anstieg des Down-Syndroms sowie Anomalien im fötalen zentralen Nervensystem (4).

 

So wird Tritium wegen seiner geringen Strahlungsenergie oft unterschätzt, doch stellt es nicht nur wegen seiner Beta-Strahlen-Exposition ein großes Problem dar, sondern auch wegen seiner biologischen Wirkungen, die sich von denen anderer radioaktiver Stoffe durch die Zerstörung biomolekularer Bestandteile deutlich unterscheiden. Die Freisetzung von Tritium ins Meer ist nicht nur ein Gerücht, wie die Regierung behauptet, sondern ein echtes Problem.

  • Literatur
  • Rosalie Bertell : The Health Effects of Tritium (http://www.beyondnuclear.org/)
  • Hori, Nakai: Review: On the genetic effects of low-level tritium: Health Physics (1976) vol.11, p1-11.
  • Straume, T. und Carsten, AL.: Tritium Radiobiology and Relative Biological Effectiveness, Health Physics, 65 (6) :657-672; (1993)
  • Tritium Releases from the Pickering Nuclear Generating Station and Birth Defects and Infant Mortality in Nearby Communities: Atomic Energy Control Board, Report INFO-0401 (1991)

公開討論: 破局後五年目のフクシマと今後

Am 11. März 2016 fand in der Werkstatt der Kulturen in Berlin-Neukölln die Erinnerungsveranstaltung “Fukushima the Aftermath“ statt, an der sich viele Künstler aus verschiedenen Bereichen beteiligten. Zahlreiche Besucher fanden bis spät in den Abend hinein ihren Weg zur Veranstaltung. Diese Podiumsdiskussion war Teil der Erinnerungsveranstaltung. An der Planung und Organisation hat vor allem Yû Kajikawa, ein Mitglied unserer Gruppe Sayonara Nukes Berlin, sehr aktiv mitgewirkt.

Nach einer Begrüßung durch Moderator Thomas Dersee von „Strahlentelex“, der in seiner Ansprache auf die Katastrophe vor fünf Jahren zurückblickte, legten die über 100 Teilnehmer, die die Kapazität des Veranstaltungsortes weit überschritten, gemeinsam eine Schweigeminute für die Opfer ein.

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Thomas Dersee

Als Eröffnung trugen zwei Dichter Gedichte vor; der amerikanische Schriftsteller Philip Lewis, der aus den Erfahrungen von seiner Weltreise ein Gedicht für Fukushima verfasst hat, und die deutsche Dichterin Traude Bührmann, die sich mit einem Prosagedicht an ihre eigenen Erfahrungen aus der bisherigen Bewegung gegen AKWs erinnerte.

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Philip Lewis
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Traude Bührmann

Der erste Redner war der japanische Journalist Masao Fukumoto, der sich beim Thema AKWs sowohl in Japan als auch in Deutschland auskennt. Er hat das Katastrophengebiet im letzten Jahr zweimal besucht und referierte über diese Reisen mit eigenen Fotos. Beeindruckend waren die Bilder der verwüsteten Geisterstädte sowie die grotesken Landschaften aus Häufen schwarzer Beutel mit verseuchtem Sand von den Dekontaminierungsarbeiten. Fukumoto äußerte seine Skepsis, ob in dieser Situation die „Rückkehr“ der Betroffenen überhaupt möglich sei. Er berichtete auch über aktuelle Probleme wie Konflikte zwischen den Evakuierten und den Einwohnern der Evakuierungsorte, Streit unter den Evakuierten in Bezug auf die Rückkehr sowie die Diskriminierung, welche die Umziehenden in ihren neuen Heimatorten erleben. Hier bestehen viele Gemeinsamkeiten mit der aktuellen Flüchtlingsfrage in Europa.

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Masao Fukumoto

Direkt im Anschluss berichtete Yû Kujikawa emotional von ihrer eigenen Reise und davon, wie sehr die Begegnung mit „Menschen, die alles verloren haben“, sie erschüttert habe.

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Yû Kujikawa

Ein weiterer Hauptgast war Martin Donat, der die Bürgerbewegung für Umweltschutz in Lüchow-Dannenberg, d.h. Gorleben, vertritt und in dieser seit 40 Jahren hartnäckig gegen das Endlager und die Castortransporte protestiert.

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Martin Donat

Auch Donat hat Fukushima seit dem Unfall bereits zweimal, 2012 und 2014, mit seinem eigenen Strahlungsmesser besucht. Aufgrund seiner Beobachtungen wies er kritisch auf den Unsinn bzw. die Wirkungslosigkeit der Dekontaminierungsarbeit und auf die absurde Tatsache hin, dass die Opfer selbst für diese Arbeit mobilisiert werden. Gorleben und Fukushima würden deutlich zeigen, dass die Technologie von AKWs sich nicht mit der Demokratie vertrage. Dies stellt eine wesentliche Frage dar, wie das sog. „Atomkraft-Dorf“ in Japan exemplarisch zeigt. Die Existenz der Atomkraft als solche produziert notwendigerweise Hierarchien zwischen den Betroffenen und Verschleierungsmechanismen. Donat fragte schließlich ironisch, was es mit der bei einer internationalen Versammlung just drei Monate vor der Katastrophe geäußerten Propaganda der japanischen Zuständigen für AKWs auf sich gehabt habe, die behauptet hatten: „Wir kennen uns mit AKWs aus.“

Danach diskutierten die Redner untereinander. Fukumoto wies darauf hin, dass in Japan die betroffenen Einwohner kritiklos dem Aufbau der AKWs zugestimmt haben und dass sie oft der Anti-Atomkraft-Bewegung überdrüssig seien. Er warf Zweifel an der „Demokratie“ in Japan auf, die lediglich als Zahlenspiel funktioniere. Dies ist ebenfalls ein sehr wichtiger Hinweis, weil er uns dazu auffordert, erneut über die Demokratie nachzudenken.

Der Japankenner Dersee wies auch auf den Widerspruch hin, dass die Wähler trotz ihrer Meinung gegen AKWs letztlich die LPD von Abe gewählt haben. Er war der Meinung, dass in letzter Zeit auch in Deutschland, das sich für die Abschaffung der AKWs entschieden hat, eine Gegenbewegung zu sehen sei. Ihm zufolge stünden dabei wirtschaftliche Interessen im Vordergrund. Europa sei der Gefahr noch nicht entkommen. Er wies auch auf die konkrete Gefahr der Reaktoren in England, Belgien und Ungarn hin.

Darauf antwortete Kajikawa mit ihrer Äußerung, die sich an den Worten des Aktivisten Jochen Stay von „.ausgestrahlt“ anlehnte: „Bürgerbeteiligung darf nicht die Beteiligung an den Kosten und an Folgeschäden bedeuten, sondern die an den Entscheidungen darüber, was mit uns, mit unserem Leben und mit unserer Umwelt geschehen darf und was nicht.“
Dersee erzählte von seinen eigenen Strahlungsmessungen, die er und andere Bürger seit 30 Jahren aus eigenem Antrieb durchführen. Ihm zufolge gibt es momentan auch in Japan über 100 solche Messgruppen. Es ist sehr wichtig, im Alltag beharrlich solche Aktivitäten fortzusetzen.

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Von links: Masao Fukumoto, Yû Kujikawa, Thomas Dersee, Martin Donat

Das Hauptthema der zweiten Hälfte war die erneuerbare Energie. Obwohl das Potenzial für erneuerbare Energie in Japan ziemlich hoch ist, entwickelt sie sich nicht wie erwartet. Die Ursache liege bei der gegenwärtigen Regierung, die AKWs weiterbetreiben wolle und die Entwicklung erneuerbarer Energien unterdrücke, so Fukumoto. Darauf betonte Donat, dass man einen zähen Kampf gegen das „Atomkraft-Dorf“ fortsetzen und noch deutlicher auf die immensen Kosten für AKWs hinweisen müsse.

Zum Schluss wurden Fragen aus dem Publikum gesammelt. Es wurden viele Fragen gestellt, etwa zum Monopol der Elektrizitätsgesellschaften, zum kritikunfähigen Journalismus in Japan, zu den Interessen der Japaner an Tschernobyl und den engen Beziehungen zwischen AKWs und Militär sowie zum Entvölkerungsgebiet. Eine erschöpfende Diskussion dieser Themen war nicht möglich. Zumindest half die Diskussion dabei, die Weite der Problematik zu erkennen.

Ein koreanischer Teilnehmer schilderte die Situation der AKWs an der Japan zugewandten Küste Koreas und appellierte für die Notwendigkeit eines internationalen Netzwerkes der Protestbewegung.

Sehr beeindruckend war die Antwort von Donat auf die Frage von Dersee, warum die Bewegung in Gorleben durch Generationen hindurch fortgesetzt werden konnte. Donat erklärte entschieden, dass für die Bewegung immer etwas Attraktives nötig sei und dass diese Attraktivität nichts anderes sei als erneuerbare Energie. Nur durch Anklage und Kritik an der negativen Seite der Katastrophe könne man eine Bewegung nicht lange erhalten. Es müsse darin irgendetwas geben, das den Teilnehmern ein positives Gefühl vermitteln kann. Gerade das sei das Potenzial der erneuerbaren Energien. Dersee unterstützte diese Ansicht, indem er betonte, dass für eine Bewegung sicherlich „Freude“ nötig sei.

Eine Bewegung muss nicht immer von Geschrei und schmerzverzerrten Gesichtern begleitet werden. Wenn wir uns die Protestbewegung gegen AKWs vorstellen, die noch Hunderte von Jahren, nein, ewig fortgesetzt werden muss, so mag der Verweis von Donat und Dersee auf etwas Positives in der Bewegung zu einfach erscheinen. Bedenkt man die langjährige Erfahrung der beiden, sollten wir aber genau zuhören.

Ich musste dabei schmunzeln, zeigt dieser Hinweis doch, dass unsere Gruppe SNB, in der verschiedene „Spieler“ ihre Aktionen auf je eigene Weise „genießen“, auf der richtigen Fährte zu sein scheint.
Es bleibt mir nochmals der Opfer der Katastrophe zu gedenken.

(12. März. 2016, Binmei)