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Atomausstieg und Energiewende in Japan und Deutschland: Wie geht es weiter?

Online-Podiumsdiskussion:
Atomausstieg und Energiewende in Japan und Deutschland: Wie geht es weiter?
Wir laden Sie deshalb herzlich ein zu unserer Online-Diskussion
am 11. März 2021 um 19 Uhr.
Zehn Jahre nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima setzt Japan weiterhin auf Atomstrom. Die japanische Regierung traut sich bislang – trotz der Abschaltung zahlreicher AKWs – an einen konsequenten Atomausstieg nicht heran. In Deutschland hingegen wird der Abschied von der riskanten Technologie Ende 2022 vollzogen – dennoch trommeln einige Lobbyisten für die Atomenergie als vermeintliche Klimaschutz-Option.
Wo also stehen wir bei der Energiewende in Deutschland und Japan? Wie muss sich alternativ zur Atomkraft die Energieversorgung beider Länder jetzt weiterentwickeln? Was ist politisch notwendig, damit sich dezentrale Erneuerbaren-Anbieter auch auf dem japanischen Energiemarkt behaupten können? Wie sieht es hierzulande bei den gesellschaftlichen Kosten und der Versorgungssicherheit in einem zunehmend auf Wind und Sonne basierenden Energiesystem aus? Und: Warum ist Atomkraft eben keine sinnvolle Alternative zur Bekämpfung der Klimakrise?
Diese und weitere Fragen wollen wir anlässlich des 10. Jahrestages von Fukushima ausführlich diskutieren – und dabei wissenschaftliche, politische und wirtschaftliche Aspekte beleuchten.
Wir laden Sie deshalb herzlich ein zu unserer Online-Diskussion
am 11. März 2021 um 19 Uhr.
Auf dem virtuellen Podium begrüßen Sie und diskutieren mit Ihnen:
• Swantje Fiedler, Wissenschaftliche Leiterin und Expertin für Klima und Energie beim Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft, Berlin
• Kensuke Nishimura, wissenschaftlicher Berater und Kenner des japanischen Energiemarktes, Geschäftsführer der Berliner Beratungsfirma Umwerlin
• Sönke Tangermann, Vorstand der Ökoenergiegenossenschaft Greenpeace Energy
• Moderation: Jörg Staude, Journalist bizz Energy – Das erneuerbare Wirtschaftsmagazin
Eine Anmeldung zur Veranstaltung ist erforderlich, die Zahl der Plätze ist begrenzt. Bitte schreiben Sie uns daher bei Interesse möglichst bald eine kurze E-Mail an presse@greenpeace-energy.de. 
Wir senden Ihnen dann die Zugangsdaten rechtzeitig zu.
Die Veranstaltung wird präsentiert von
Sayonara Nukes Berlin
Greenpeace Energy
Medienpartner
bizz Energy

 

 

“ヤクザと原発” 福島第一潜入記ドイツ語版出版記念講読会

Von Felix Jawinski

Ⓒ Tsukasa Yajima

Vom 10. März bis 14. März weilte der Autor des Buches Inside Fukushima – Eine Reportage aus dem Inneren der Katastrophe Suzuki Tomohiko in Deutschland. Die europaweite Buchpremiere fand am sechsten Jahrestag der Dreifachkatastrophe von Nord-Ost-Japan im Rahmen des Lesefestivals „Lesen ohne Atomstrom“ im Hamburger Völkerkundemuseum statt. Als Ergänzung zu den Anti-AKW- Demonstrationen am 11. März in mehreren deutschen Großstädten erinnerte die Veranstaltung nicht nur an die Katastrophen und deren Folgen, sondern auch daran, wie die japanische Regierung gemeinsam mit vielen weiteren Akteuren des sogenannten japanischen Atomdorfs versucht(e), die Lage im geborstenen AKW Fukushima Daiichi in den Griff zu bekommen. Suzuki Tomohiko ist genau dieser Frage nachgegangen und hat sich drei Monate nach der Katastrophe für mehr als zwei Monate im havarierten AKW Fukushima Daiichi als AKW-Arbeiter verdingt. In Japan bekannt als Journalist und Spezialist für die Yakuza, über die er seit Jahrzehnten berichtet, setzte er sich auch vor der Katastrophe mit dem gesellschaftlichen Phänomen der organisierten Kriminalität auseinander. In der Ausnahmesituation nach dem Super-GAU entschloss er sich dann genau dorthin zu gehen, wo viele seiner Kollegen sich nicht mehr hinwagten. Anfänglich als Begleiter der Yakuza in Hilfsgüterlieferungen in die betroffenen Gebiete eingebunden, merkte er schnell, dass die Verbindungen der Yakuza in das AKW-Gewerbe und die Rekrutierung von Arbeitskräften tiefer waren, als er es bisher für möglich gehalten hatte. Verstrickungen der Yakuza in viele Bereiche der Wirtschaft, wie z.B. dem Baugewerbe, dem Glücksspiel, aber auch ins Rotlichtmilieu, waren ihm auch vorher bekannt. Hellhörig wurde Suzuki Tomohiko aber, als ihn in den ersten Tagen nach der Katstrophe beständig ranghohe Mitglieder der Yakuza anriefen und ihn fragten, ob er nicht jemanden kenne, der im AKW arbeiten wolle, bzw. ob er nicht Leute kenne, die Arbeiter vermitteln könnten.

In den Diskussionen auf den Veranstaltungen kamen folgende Fragen immer wieder auf. Zum einen erklärte Suzuki den Unterschied zwischen der japanischen Yakuza im Vergleich zur italienischen Mafia. Die Frage, wieso er sich hier offen präsentieren könne und keine Angst vor Vergeltungsaktionen haben müsse, spielte dabei genauso eine Rolle, wie das Interesse daran, wie es überhaupt möglich sei, über die Yakuza zu berichten. Weitere Erklärungen stillten die Neugier des Publikums nach den Arbeitsbedingungen, den Schutzmaßnahmen vor Radioaktivität und seinem Doppelleben als AKW-Arbeiter und Journalist. All diese Fragen erläuterte Suzuki Tomohiko sowohl in Hamburg und dann am 13. März 2017 noch einmal in Berlin, bei einer Lesung im Verlag Assoziation A. Die Veranstaltung in Hamburg fand großen Zuspruch der Bürgerschaft. Ungefähr 500 Menschen kamen und wollten dabei sein. Darüber hinaus wurde die Veranstaltung aufgezeichnet und sogar live gestreamt und kann deshalb auch jetzt noch online nachgeschaut werden. Die Diskussion wurde in Hamburg von der Mitgründerin von Greenpeace Deutschland Monika Griefahn geleitet. Auf dem Podium saßen außer Suzuki Tomohiko der Präsident der Gesellschaft für Strahlenschutz Dr. Sebastian Pflugbeil und der bekannte Undercover-Journalist Günter Wallraff. Sowohl in Hamburg als auch in Berlin ging den Diskussionen eine Lesung voraus. Während in Berlin der Schauspieler Richard Schnell, der schon an der Aufführung von Stimmen aus Tschernobyl mitgewirkt hatte, eindrucksvoll und stimmgewaltig die Situation der AKW-Arbeiter in den Raum projizierte, übernahm diesen Part in Hamburg die Schauspielerin Anna Thalbach. Auch in Berlin überstieg die Besucherzahl die Erwartungen – es kamen mehr als 100 Interessierte und folgten seinen Ausführungen.

© Verlag Assoziation A

In den Medien fand die Buchpremiere ebenfalls großen Anklang.Vom 6. – 9. März lief eine vierteilige Radiosendung mit dem Titel „Weiterleben“ der Journalistin und Japanologin Judith Brandner im ORF.Darüber hinaus verfasste sie eine Rezension für die Schweizer WOZ. Der WDR berichtete in einer Radiosendung ebenso wie der NDR. Am 11. März berichtete die MOPO über das Buch im Zusammenhang mit einem Interview mit Günter Wallraff. Als Reaktion auf die Berliner Veranstaltung erschienen Beiträge in der Tageszeitung Junge Welt, und bei Telepolis. An dieser Stelle sei noch einmal allen Beteiligten von Lesen-ohne-Atomstrom, dem Verlag Assoziation A, den DolmetscherInnen und OrganisatorInnen dieser Leseveranstaltungen gedankt, ohne die das Projekt so nicht hätte realisiert werden können. Allen LeserInnen wünschen der Autor und die ÜbersetzerInnen nun viel Freude bei der Lektüre! Wer mehr über die Struktur der AKW-Industrie, den Autor oder über die weitere Diskussion des Themas AKW-Arbeit in Japan erfahren möchte, kann gern den Text des Mitübersetzers Felix Jawinski zurate ziehen.


 

Felix Jawinski:

2007 – 2011 Bachelorstudium der Japanologie und der Politikwissenschaft an der Universität Leipzig, Auslandsstudium in Japan an der Aichi Prefectural University 2009 – 2010. Thema der Masterarbeit: „Atomkraft und Arbeit: Versuch einer Annäherung am Beispiel Japans“. Seit 2010 zunächst studentische Hilfskraft, dann wissenschaftliche Hilfskraft und seit Oktober 2014 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Japanologie Leipzig.

公開討論: 破局後五年目のフクシマと今後

Am 11. März 2016 fand in der Werkstatt der Kulturen in Berlin-Neukölln die Erinnerungsveranstaltung “Fukushima the Aftermath“ statt, an der sich viele Künstler aus verschiedenen Bereichen beteiligten. Zahlreiche Besucher fanden bis spät in den Abend hinein ihren Weg zur Veranstaltung. Diese Podiumsdiskussion war Teil der Erinnerungsveranstaltung. An der Planung und Organisation hat vor allem Yû Kajikawa, ein Mitglied unserer Gruppe Sayonara Nukes Berlin, sehr aktiv mitgewirkt.

Nach einer Begrüßung durch Moderator Thomas Dersee von „Strahlentelex“, der in seiner Ansprache auf die Katastrophe vor fünf Jahren zurückblickte, legten die über 100 Teilnehmer, die die Kapazität des Veranstaltungsortes weit überschritten, gemeinsam eine Schweigeminute für die Opfer ein.

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Thomas Dersee

Als Eröffnung trugen zwei Dichter Gedichte vor; der amerikanische Schriftsteller Philip Lewis, der aus den Erfahrungen von seiner Weltreise ein Gedicht für Fukushima verfasst hat, und die deutsche Dichterin Traude Bührmann, die sich mit einem Prosagedicht an ihre eigenen Erfahrungen aus der bisherigen Bewegung gegen AKWs erinnerte.

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Philip Lewis
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Traude Bührmann

Der erste Redner war der japanische Journalist Masao Fukumoto, der sich beim Thema AKWs sowohl in Japan als auch in Deutschland auskennt. Er hat das Katastrophengebiet im letzten Jahr zweimal besucht und referierte über diese Reisen mit eigenen Fotos. Beeindruckend waren die Bilder der verwüsteten Geisterstädte sowie die grotesken Landschaften aus Häufen schwarzer Beutel mit verseuchtem Sand von den Dekontaminierungsarbeiten. Fukumoto äußerte seine Skepsis, ob in dieser Situation die „Rückkehr“ der Betroffenen überhaupt möglich sei. Er berichtete auch über aktuelle Probleme wie Konflikte zwischen den Evakuierten und den Einwohnern der Evakuierungsorte, Streit unter den Evakuierten in Bezug auf die Rückkehr sowie die Diskriminierung, welche die Umziehenden in ihren neuen Heimatorten erleben. Hier bestehen viele Gemeinsamkeiten mit der aktuellen Flüchtlingsfrage in Europa.

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Masao Fukumoto

Direkt im Anschluss berichtete Yû Kujikawa emotional von ihrer eigenen Reise und davon, wie sehr die Begegnung mit „Menschen, die alles verloren haben“, sie erschüttert habe.

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Yû Kujikawa

Ein weiterer Hauptgast war Martin Donat, der die Bürgerbewegung für Umweltschutz in Lüchow-Dannenberg, d.h. Gorleben, vertritt und in dieser seit 40 Jahren hartnäckig gegen das Endlager und die Castortransporte protestiert.

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Martin Donat

Auch Donat hat Fukushima seit dem Unfall bereits zweimal, 2012 und 2014, mit seinem eigenen Strahlungsmesser besucht. Aufgrund seiner Beobachtungen wies er kritisch auf den Unsinn bzw. die Wirkungslosigkeit der Dekontaminierungsarbeit und auf die absurde Tatsache hin, dass die Opfer selbst für diese Arbeit mobilisiert werden. Gorleben und Fukushima würden deutlich zeigen, dass die Technologie von AKWs sich nicht mit der Demokratie vertrage. Dies stellt eine wesentliche Frage dar, wie das sog. „Atomkraft-Dorf“ in Japan exemplarisch zeigt. Die Existenz der Atomkraft als solche produziert notwendigerweise Hierarchien zwischen den Betroffenen und Verschleierungsmechanismen. Donat fragte schließlich ironisch, was es mit der bei einer internationalen Versammlung just drei Monate vor der Katastrophe geäußerten Propaganda der japanischen Zuständigen für AKWs auf sich gehabt habe, die behauptet hatten: „Wir kennen uns mit AKWs aus.“

Danach diskutierten die Redner untereinander. Fukumoto wies darauf hin, dass in Japan die betroffenen Einwohner kritiklos dem Aufbau der AKWs zugestimmt haben und dass sie oft der Anti-Atomkraft-Bewegung überdrüssig seien. Er warf Zweifel an der „Demokratie“ in Japan auf, die lediglich als Zahlenspiel funktioniere. Dies ist ebenfalls ein sehr wichtiger Hinweis, weil er uns dazu auffordert, erneut über die Demokratie nachzudenken.

Der Japankenner Dersee wies auch auf den Widerspruch hin, dass die Wähler trotz ihrer Meinung gegen AKWs letztlich die LPD von Abe gewählt haben. Er war der Meinung, dass in letzter Zeit auch in Deutschland, das sich für die Abschaffung der AKWs entschieden hat, eine Gegenbewegung zu sehen sei. Ihm zufolge stünden dabei wirtschaftliche Interessen im Vordergrund. Europa sei der Gefahr noch nicht entkommen. Er wies auch auf die konkrete Gefahr der Reaktoren in England, Belgien und Ungarn hin.

Darauf antwortete Kajikawa mit ihrer Äußerung, die sich an den Worten des Aktivisten Jochen Stay von „.ausgestrahlt“ anlehnte: „Bürgerbeteiligung darf nicht die Beteiligung an den Kosten und an Folgeschäden bedeuten, sondern die an den Entscheidungen darüber, was mit uns, mit unserem Leben und mit unserer Umwelt geschehen darf und was nicht.“
Dersee erzählte von seinen eigenen Strahlungsmessungen, die er und andere Bürger seit 30 Jahren aus eigenem Antrieb durchführen. Ihm zufolge gibt es momentan auch in Japan über 100 solche Messgruppen. Es ist sehr wichtig, im Alltag beharrlich solche Aktivitäten fortzusetzen.

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Von links: Masao Fukumoto, Yû Kujikawa, Thomas Dersee, Martin Donat

Das Hauptthema der zweiten Hälfte war die erneuerbare Energie. Obwohl das Potenzial für erneuerbare Energie in Japan ziemlich hoch ist, entwickelt sie sich nicht wie erwartet. Die Ursache liege bei der gegenwärtigen Regierung, die AKWs weiterbetreiben wolle und die Entwicklung erneuerbarer Energien unterdrücke, so Fukumoto. Darauf betonte Donat, dass man einen zähen Kampf gegen das „Atomkraft-Dorf“ fortsetzen und noch deutlicher auf die immensen Kosten für AKWs hinweisen müsse.

Zum Schluss wurden Fragen aus dem Publikum gesammelt. Es wurden viele Fragen gestellt, etwa zum Monopol der Elektrizitätsgesellschaften, zum kritikunfähigen Journalismus in Japan, zu den Interessen der Japaner an Tschernobyl und den engen Beziehungen zwischen AKWs und Militär sowie zum Entvölkerungsgebiet. Eine erschöpfende Diskussion dieser Themen war nicht möglich. Zumindest half die Diskussion dabei, die Weite der Problematik zu erkennen.

Ein koreanischer Teilnehmer schilderte die Situation der AKWs an der Japan zugewandten Küste Koreas und appellierte für die Notwendigkeit eines internationalen Netzwerkes der Protestbewegung.

Sehr beeindruckend war die Antwort von Donat auf die Frage von Dersee, warum die Bewegung in Gorleben durch Generationen hindurch fortgesetzt werden konnte. Donat erklärte entschieden, dass für die Bewegung immer etwas Attraktives nötig sei und dass diese Attraktivität nichts anderes sei als erneuerbare Energie. Nur durch Anklage und Kritik an der negativen Seite der Katastrophe könne man eine Bewegung nicht lange erhalten. Es müsse darin irgendetwas geben, das den Teilnehmern ein positives Gefühl vermitteln kann. Gerade das sei das Potenzial der erneuerbaren Energien. Dersee unterstützte diese Ansicht, indem er betonte, dass für eine Bewegung sicherlich „Freude“ nötig sei.

Eine Bewegung muss nicht immer von Geschrei und schmerzverzerrten Gesichtern begleitet werden. Wenn wir uns die Protestbewegung gegen AKWs vorstellen, die noch Hunderte von Jahren, nein, ewig fortgesetzt werden muss, so mag der Verweis von Donat und Dersee auf etwas Positives in der Bewegung zu einfach erscheinen. Bedenkt man die langjährige Erfahrung der beiden, sollten wir aber genau zuhören.

Ich musste dabei schmunzeln, zeigt dieser Hinweis doch, dass unsere Gruppe SNB, in der verschiedene „Spieler“ ihre Aktionen auf je eigene Weise „genießen“, auf der richtigen Fährte zu sein scheint.
Es bleibt mir nochmals der Opfer der Katastrophe zu gedenken.

(12. März. 2016, Binmei)