Aktuelle Lage in Fukushima – 14 Jahre nach der Nuklearkatastrophe

Vor 14 Jahren ereignete sich eine Reihe zusammenhängender katastrophaler Unfälle und schwerer Störfälle im japanischen Atomkraftwerk Fukushima Daiichi als Folge eines schweren Erdbebens und des darauffolgenden Tsunamis. Diese werden als Nuklearkatastrophe von Fukushima bezeichnet. Dabei kam es in den Reaktorblöcken 1, 2 und 3 zu Kernschmelzen, wodurch große Mengen an radioaktivem Material freigesetzt wurden – und immer noch werden.

Bis zu 150.000 Einwohner mussten infolgedessen zwangsevakuiert werden. Viele flohen auf eigene Faust, auch wenn die Evakuierungsanordnung in ihrem Gebiet nicht gegeben worden war.

Der nukleare Notfall, der damals in der Region um das havarierte AKW erklärt wurde, ist noch immer nicht aufgehoben. Es gibt insgesamt sieben Gemeinden und Dörfer, in denen eine Rückführung schwierig ist und in denen die Evakuierungsanordnungen weiterhin bestehen.

Dabei ist die Nuklearkatastrophe gar nicht vorbei. Radioaktive Materialien verseuchen nach wie vor die Luft und das Meer, auch die früheren bereits in der Gegend zerstreuten Fallouts strahlen weiter.

In den Abklingbecken der Reaktoren 1 und 2 befinden sich noch abgebrannte Brennstäbe, die wegen hoher Strahlendosen vor Ort nicht entnommen werden können. Der Zustand der Reaktorgebäude und der Abklingbecken ist besorgniserregend. Falls es wieder ein starkes Erdbeben gibt, kann es erneut zu einer erheblichen Freisetzung von radioaktiven Stoffen in die Umwelt kommen.

Die japanische Regierung und die Betreiberfirma Tepco setzen indes ihren Kurs weiter fort, so zu tun, als wäre die Nuklearkatastrophe unter Kontrolle und weitestgehend vorbei. Dafür scheuen sie keine Mittel und investieren sehr viel Geld in Propaganda-Kampagnen und -Projekte, anstatt Bewohnern tatkräftig zu helfen, um ihnen die Angst vor gesundheitlichen Folgen wegen der Strahlung zu nehmen oder die Geflüchteten weiterhin mit Wohnbeihilfen zu unterstützen.

Um die sichtbaren Beweise der Katastrophe unsichtbar zu machen, werden zum Beispiel die radioaktiven Materialien zerstreut: Im August 2023 hat man mit der Verklappung des verseuchten Wassers ins Meer begonnen, um die Zahl der Tanks auf dem Gelände des AKW Fukushima Daiichi zu reduzieren. Als nächstes wollen sie die bei den Dekontaminierungsarbeiten abgetragene und in Plastiksäcken gestapelte Erde als „Recyclingsmaterial“ überall im Land verstreuen. Sie ignorieren die Gefahr der Strahlenbelastung von Niedrigdosen und somit die Grundsätze der Vorsorge und Vorbeugung.

Seit 2011 lässt die Präfektur Fukushima die Medizinische Universität von Fukushima in regelmäßigen Abständen die Schilddrüsen von Menschen untersuchen, die zum Zeitpunkt des Super-GAUs in der Präfektur lebten und unter 18 Jahre alt waren. Ursprünglich waren es 368.000 und in den ersten Jahren hat man ca. 82% von diesen Kindern und Jugendlichen untersucht. Nach der initialen Reihenuntersuchung zwischen 2011 und 2014 fanden alle zwei Jahre Nachuntersuchungen statt.

Insgesamt hat es seit der Nuklearkatastrophe 350 Schilddrüsenkrebsfälle und Verdachtsfälle gegeben, darüber hinaus gibt es 47 weitere, die im Krebsregister registriert wurden, also zählte man insgesamt 397 Menschen unter den damals bis 18-Jährigen, die seit der Katastrophe an Krebs erkrankt sind oder mit Verdacht auf Krebs. Diese Art organisierte Großuntersuchungen von Schilddrüsen werden nur denjenigen angeboten, die im Zeitpunkt des Unfalls unter 18 Jahren waren und in der Präfektur von Fukushima gelebt haben, aber nicht den anderen, die außerhalb Fukushima wohnten oder älter sind. Außerdem wird die Beteiligung an der Untersuchung jedes Mal kleiner, weil die Untersuchungen nicht mehr an Schulen angeboten werden mit dem Argument, es gebe ein Recht auf Nicht-wissen oder Nachteile wegen der Untersuchungen. In der obigen Tabelle sehen die Zahlen auf dem ersten Blick so aus, als würden die Krebsfälle jedes Mal weniger, aber wenn man die Beteiligungsquote an der Untersuchung berücksichtigt, sind die Krebsraten gestiegen.

Am 18. Februar 2025 hat die japanische Regierung den 7. Strategieplan für Energietechnologie verabschiedet, der für die Energiepolitik der nächsten Jahre maßgebend sein soll. Aus diesem Plan ist die Formulierung „die Abhängigkeit von der Atomenergie verringern“, was immerhin in der bisherigen Energiepolitik als Richtlinie galt, ganz gestrichen worden. Stattdessen steht die Rückkehr zur Atomkraft groß in dem Programm. Japan, das Land, das vor 14 Jahren den schlimmsten Reaktorunfall erlebt hat, setzt wieder offiziell auf Atomenergie, während die Katastrophe von Fukushima noch immer andauert.


Im November 2024 hat Tepco medienwirksam mitgeteilt, dass es ihnen gelungen sei, 0,7 Gramm von abgeschmolzenen Brennstäben aus dem havarierten Reaktor 2 zu entnehmen. Allerdings handelte es sich um eine äußerst winzige Menge an den abgeschmolzenen Brennstäben vom Reaktor 2, während es insgesamt 880 Tonnen davon geben soll. Da die Strahlungsdosen sehr hoch sind an jedem havarierten Sicherheitsbehälter, muss man die Bergungsarbeiten mit Hilfe eines Roboterarms durchführen. Aber die Entwicklung kam nicht voran, wie Tepco es sich vorgestellt hatte. Schließlich hat man sich für einen ferngesteuerten Teleskoparm mit Greifwerkzeug entschieden, den man bereits bei anderen Operationen vor Ort eingesetzt hatte. Und es war vor allem nicht klar, weshalb Tepco sich bei der Entnahme von abgeschmolzenen Brennstäben so beeilen will, obwohl die Arbeitsbedingungen wegen hoher Strahlungsdosen trotz der Fernbedienung für jeden Arbeiter extrem gefährlich sind. Bei der Operation hatte es mehrere vorangegangene Misserfolge gegeben, und man erfuhr immer wieder, wie Tepco auch hier verantwortungslos mit riskanten Arbeiten umgegangen war: Die Betreiberfirma des havarierten AKW Fukushima hatte an allen komplexen und völlig neuen Arbeitsprozessen, bei denen man zum ersten Mal versuchte, abgeschmolzene Brennstäbe zu entnehmen, kein einziges Mal als Aufsicht teilgenommen, während sie alle Arbeitsschritte an Subunternehmern komplett ausgelagert hatten.

Zusammengefasst: Yu Kajikawa (Sayonara Nukes Berlin), stand: 27.02.2025